EuGH hält Kurs
Das Thema Vorratsdatenspeicherung lässt den EuGH nicht los. Im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren aus gleich drei Mitgliedsstaaten – Belgien, Frankreich und dem Vereinigten Königreich – bekräftigten die Luxemburger Richter ihre generelle Ablehnung von anlasslosen Datensammlungen.
Sie verweisen auf die Sorgen mancher Länder, dass man ihnen ein wichtiges Sicherheitsinstrument aus den Händen genommen habe. Damit ist der Kern des Streits benannt. Befürworter der Vorratsdatenspeicherung verweisen auf die Möglichkeiten etwa zur Bekämpfung von Kinderpornografie, die aus Verbindungsdaten von Telefon und Internet geschöpft werden könnten. Für Datenschützer ist dies hingegen die Schreckensvision einer gläsernen Gesellschaft, in der ein Profil jeden Bürgers – unabhängig von einer Gefährdung – erstellt werden könnte.
Ob die angegriffenen nationalen Regelungen auf diesem Weg einen Schritt zu weit gegangen sind, werden die vorlegenden Gerichte entscheiden müssen. Mit Verweis auf die bisherigen Urteile, insbesondere in Sachen Tele 2 Sverige und Watson (NJW 2017, 717), beantwortete der EuGH die Vorlagefragen jeweils dahingehend, dass anlasslose Speicherung und Weitergabe von Verbindungsdaten zu präventiven Zwecken unzulässig seien. Es handele sich um einen schweren Eingriff in die Grundrechte. Die Normen unterfielen auch dem europäischen Recht – Eingaben von Mitgliedsstaaten, die sich auf ihre alleinige Zuständigkeit für Fragen der nationalen Sicherheit berufen hatten, erteilten die Richter eine Absage.
Konkrete und präsente Gefahr
Allerdings eröffneten sie den Sicherheitsbehörden eine Perspektive. Im Fall einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit könnte eine Vorratsdatenspeicherung rechtmäßig sein. Die Gefahrenlage müsse entweder schon gegeben oder zumindest vorhersehbar sein. Der EuGH betont, dass die Anordnung strikt auf den notwendigen Zeitraum begrenzt werden müsse – dies müsse durch ein Gericht oder ein unabhängiges Gremium überprüft werden.
Eine konkrete Auswirkung auf Deutschland hat die Entscheidung nicht. Hier steht seit dem Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.09.2019 (NVwZ 2020, 1108) ebenfalls eine Klärung durch den EuGH an. Allerdings sind die Aussagen grundsätzlicher Natur, sodass die politische Diskussion hierzulande davon beeinflusst werden dürfte. In der Bundespolitik wurde das Urteil unterschiedlich bewertet. Während der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, eine "vorsichtige Abkehr von der extrem datenschutzfreundlichen Linie" des EuGH wahrnahm, betonten Konstantin von Notz und Tabea Rößner (Sprecherin für Netzpolitik) von den Grünen, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Europa nunmehr "mausetot" sei.