EuGH: Kartellbuße gegen Infineon muss erneut geprüft werden

Das Gericht der Europäischen Union muss die im Zusammenhang mit dem Smartcard-Chips-Kartell von der EU-Kommission gegen Infineon verhängte Kartellbuße erneut prüfen. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 26.09.2018 entschieden. Das EuG müsse nun überprüfen, ob die Millionenbuße verhältnismäßig sei (Az.: C-99/17 P).  

Geldbußen gegen Smartcard-Chips-Kartell verhängt

Die EU-Kommission verhängte gegen mehrere Unternehmen Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 138 Millionen Euro, weil sie in der Zeit von 2003 bis 2005 ihre Preispolitik im Sektor für Smartcard-Chips im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) koordiniert hatten. Das Kartell stützte sich auf ein Netz bilateraler Kontakte und den Austausch sensibler Geschäftsdaten zwischen den Unternehmen, unter anderem in Bezug auf die Preise.

Infineon mit Geldbuße von 82.784.000 Euro belegt

Renesas wurde die Geldbuße vollständig erlassen, weil sie die Kommission über die Existenz des Kartells informiert hatte. Die Geldbuße von Infineon wurde um 20% ermäßigt, weil sich ihre Beteiligung auf Absprachen mit Samsung und Renesas beschränkte. Die Geldbuße von Samsung wurde um 30% ermäßigt, weil sie Informationen von erheblichem Mehrwert geliefert hatte. Die Kommission verhängte eine Geldbuße in Höhe von 82.784.000 Euro gegen Infineon und in Höhe von 20.148.000 Euro gegen Philips. Beiden wurde keine Ermäßigung nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gewährt. 

EuG bestätigte Geldbuße gegen Infineon 

Infineon und Philips riefen das Gericht der Europäischen Union an und beantragten, den Beschluss der Kommission für nichtig zu erklären. Sie bestritten zum einen die Existenz eines Kartells und rügten zum anderen die Höhe der gegen sie verhängten Geldbuße. Das EuG wies die Klagen ab und bestätigte die von der Kommission gegen Infineon und Philips verhängten Geldbußen (NZKart 2017, 32 und NZKart 2017, 28). 

Infineon rügte unzureichende Kontrolle der festgestellten rechtswidrigen Kontakte

Die beiden Unternehmen legten dagegen Rechtsmittel ein. Infineon warf dem EuG unter anderem vor, dass es nur fünf der elf von der Kommission festgestellten, angeblich rechtswidrigen Kontakte geprüft habe, obwohl sie alle diese Kontakte bestritten habe. Die unvollständige gerichtliche Kontrolle des Beschlusses habe zu einer unzureichenden Kontrolle der Geldbuße geführt. Philips rügte die Beurteilung des Vorliegens eines Kartells durch das Gericht und die Höhe der verhängten Geldbuße.

EuGH: Zahl und die Intensität der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen bei Geldbußenhöhe zu berücksichtigen 

Der EuGH führt aus, dass der Unionsrichter, um den Erfordernissen einer unbeschränkten gerichtlichen Nachprüfung hinsichtlich der Geldbuße zu genügen, jede Rechts- oder Sachrüge prüfen müsse, mit der dargetan werden solle, dass die Höhe der Geldbuße Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung nicht angemessen ist. Zu den bei der Beurteilung der Höhe der Geldbuße zu berücksichtigenden Gesichtspunkten gehörten unter anderem die Zahl und die Intensität der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen.

Zahl der bilateralen Kontakte relevanter Gesichtspunkt 

Aus dem in Rede stehenden Beschluss gehe hervor, dass die Kommission aufgrund von elf bilateralen Kontakten zwischen Infineon, Samsung und Renesas das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung festgestellt hat. Der EuGH ist der Auffassung, dass, auch wenn das Gericht nicht verpflichtet sei, bei der Beurteilung der Schwere der von der Rechtsmittelführerin begangenen Zuwiderhandlung und der Festsetzung der Geldbuße die genaue Zahl der bilateralen Kontakte zugrunde zu legen, dieser Gesichtspunkt einen relevanten Gesichtspunkt unter anderen darstellen könne.

Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung verkannt

Laut EuGH hat das Gericht folglich zwangsläufig den Umfang seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung verkannt, indem es nicht auf das Vorbringen von Infineon eingegangen sei, wonach die Kommission gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe, indem sie die Höhe der Geldbuße festgesetzt habe, ohne die begrenzte Zahl der Kontakte, an denen Infineon beteiligt gewesen sei, zu berücksichtigen. Dies gelte umso mehr, als das Gericht sich im vorliegenden Fall darauf beschränkt habe, fünf der elf im Beschluss der Kommission festgestellten Kontakte zu bestätigen, und dabei die Frage offengelassen habe, ob die Kommission auch die sechs weiteren festgestellten Kontakte nachgewiesen hat.

EuG muss erneut entscheiden

Der EuGH hat das Urteil des Gerichts daher aufgehoben, soweit es hinsichtlich der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht rechtsfehlerhaft sei. Das EuG müsse nun die Verhältnismäßigkeit der verhängten Geldbuße gegenüber der Zahl der zulasten von Infineon festgestellten Kontakte beurteilen und dabei gegebenenfalls prüfen, ob die Kommission die sechs Kontakte, zu denen es sich noch nicht geäußert habe, nachgewiesen habe.

Geldbuße gegen Philips bestätigt

In der Rechtssache C-98/17 P weist der Gerichtshof das Rechtsmittel insgesamt zurück und bestätigt damit die gegen Philips verhängte Geldbuße.

EuGH, Urteil vom 26.09.2018 - C-99/17

Redaktion beck-aktuell, 26. September 2018.

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