EuGH: Italien darf auch von Zwischenhändlern von flüssigen Biobrennstoffen Vorlage von Nachhaltigkeitszertifikaten fordern

Die in Italien vorgesehene Pflicht zur Vorlage von Nachhaltigkeitszertifikaten für Zwischenhändler von flüssigen Biobrennstoffen, die sie nicht physisch in Besitz nehmen, ist mit dem Unionsrecht vereinbar. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 04.10.2018 entschieden. Darin liege zwar eine Beschränkung des freien Warenverkehrs. Dies sei aber durch Ziele des Umweltschutzes und der Betrugsbekämpfung gerechtfertigt (Az.: C-242/17).

Zwischenhändler für flüssigen Biobrennstoff legte keine Nachhaltigkeitszertifikate vor – Beihilfen für "Öko-Kraftwerk" widerrufen

Die Gesellschaft Legatoria Editoriale Giovanni Olivotto (L.E.G.O.) besitzt in Italien eine Druckerei, die über ein Wärmekraftwerk verfügt, das mit einem flüssigen Biobrennstoff (Palmöl) betrieben wird. Da dieses Kraftwerk als aus erneuerbaren Energiequellen versorgte Anlage anerkannt wurde, wurden L.E.G.O. für den Zeitraum 2012 bis 2014 staatliche Beihilfen gewährt. Diese Beihilfen wurden jedoch von den italienischen Behörden widerrufen, weil das als Zwischenhändler agierende, mit dem Einkauf der flüssigen Biobrennstoffe für L.E.G.O. bei einem Drittlieferanten beauftragte Unternehmen keine Nachhaltigkeitszertifikate vorgelegt hatte. Der Widerruf erfolgte, obwohl diese Zertifikate bereits von dem Drittlieferanten, der dem freiwilligen Kontrollsystem ISCC (International Sustainability and Carbon Certification) beigetreten ist, eingereicht worden waren. L.E.G.O. focht die Entscheidung der italienischen Behörden vor den innerstaatlichen Verwaltungsgerichten an.

Italienisches Gericht ruft EuGH an

In diesem Zusammenhang wollte das in letzter Instanz angerufene italienische Gericht vom EuGH wissen, ob das Unionsrecht (Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG in Verbindung mit dem Durchführungsbeschluss 2011/438/EU über die Anerkennung des Zertifizierungssystems "International Sustainability and Carbon Certification") einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der den Wirtschaftsteilnehmern spezielle Lasten auferlegt werden, die von den Lasten, die nach einem freiwilligen System zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit wie dem ISCC-System vorgesehen sind, abweichen und über diese Lasten hinausgehen. Das Gericht wollte außerdem wissen, ob es gegen Unionsrecht verstößt, dass eine nationale Regelung ein nationales System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen vorschreibt, wonach alle Wirtschaftsteilnehmer, die in die Lieferkette der betreffenden Ware eingebunden sind, selbst wenn es sich um Zwischenhändler handelt, die die Lieferungen flüssiger Biobrennstoffen nicht physisch in Besitz nehmen, den sich aus diesem System ergebenden Zertifizierungs-, Mitteilungs- und Informationspflichten unterliegen.

EuGH: Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe abschließend

Der EuGH hat diese Fragen verneint. Er weist zunächst darauf hin, dass die Richtlinie 2009/28/EU die Nachhaltigkeitskriterien, die zu beachten sind, damit Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe als erneuerbare Energiequellen berücksichtigt werden können, abschließend harmonisiert habe. Somit dürften die Mitgliedstaaten Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe, die die in der Richtlinie genannten Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, für die Zwecke der Richtlinie nicht aus sonstigen Nachhaltigkeitsgründen unberücksichtigt lassen.

Italien durfte strengere Anforderungen für Nachhaltigkeitsprüfung vorsehen

Hinsichtlich der Überprüfung der Einhaltung der Kriterien für die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen erläutert der EuGH, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichte, von den Wirtschaftsteilnehmern die Verwendung eines Massenbilanzsystems zu verlangen. Da diese Methode zur Überprüfung der Nachhaltigkeit nicht Gegenstand einer umfassenden Harmonisierung gewesen sei, könne sie durch ein vom jeweiligen Mitgliedstaat oder durch von der Kommission anerkannte freiwillige nationale oder internationale Systeme wie das ISCC-System durchgeführt werden. Da das ISCC-System (zumindest bis zum Erlass der Richtlinie 2015/1513/EU) nur Biokraftstoffe, nicht aber flüssige Biobrennstoffe betreffe, habe Italien ein strengeres nationales Zertifizierungssystem als das ISCC-System zum Nachweis der Nachhaltigkeit flüssiger Biobrennstoffe vorsehen können. Die strengeren Anforderungen fielen nicht unter das Verbot nach Art. 18 Abs. 7 der Richtlinie 2009/28/EG.

Italien durfte Zwischenhändler als "Wirtschaftsteilnehmer" einstufen

Bezüglich der zweiten Frage weist der EuGH zunächst darauf hin, dass die Richtlinie den Begriff "Wirtschaftsteilnehmer" nicht definiere. Folglich hätten die Mitgliedstaaten beim jetzigen Stand der Harmonisierung insoweit weiterhin einen erheblichen Wertungsspielraum. Im vorliegenden Fall stehe es Italien frei, Zwischenhändler (einschließlich solcher, die die genannte Ware nicht physisch in Besitz nähmen) als "Wirtschaftsteilnehmer" einzustufen, um gemäß den Anforderungen der Richtlinie 2009/28/EG die Rückverfolgbarkeit der Lieferungen flüssiger Biobrennstoffe entlang der gesamten Lieferkette zu gewährleisten. Dadurch werde eine bessere Kontrolle der Herstellung und Vermarktung dieser Waren zur Verringerung des Betrugsrisikos ermöglicht.

Beschränkung des freien Warenverkehrs durch Ziele des Umweltschutzes und der Betrugsbekämpfung gerechtfertigt

Dass Italien auch Zwischenhändler von flüssigen Biobrennstoffen, die sie nicht physisch in Besitz nehmen, zur Vorlage von Nachhaltigkeitszertifikaten verpflichtet, verstößt laut EuGH auch nicht gegen Art. 34 AEUV. Zwar führe dies dazu, dass die Einfuhr von flüssigen Biobrennstoffen nach Italien erschwert wird. Der EuGH ist jedoch der Ansicht, dass diese Beschränkung des freien Warenverkehrs durch die Ziele des Umweltschutzes und der Betrugsbekämpfung gerechtfertigt sei.

EuGH, Urteil vom 04.10.2018 - C-242/17

Redaktion beck-aktuell, 4. Oktober 2018.

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