In-vitro-Zufallsmutagenese erfüllt Ausnahmeregelung in GVO-Richtlinie nicht

Organismen, die durch die In-vitro-Anwendung eines Verfahrens oder einer Methode der Mutagenese gewonnen werden, das beziehungsweise die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen in vivo angewandt wurde und in Bezug auf diese Anwendungen seit langem als sicher gilt, sind vom Anwendungsbereich der GVO-Richtlinie ausgeschlossen. Dies hat heute der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden.

Streit um agrartechnische Anwendung der In-vitro-Zufallsmutagenese

Im Jahr 2015 klagten ein französischer Landwirtschaftsverband und mehrere Umweltvereinigungen gegen den Ausschluss bestimmter Verfahren der Mutagenese vom Anwendungsbereich der französischen Regelung zur Umsetzung der Richtlinie 2001/18 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen (GVO) in die Umwelt. Mit Blick auf eine Entscheidung des Gerichtshofs aus dem Jahr 2018 meinte das mit der Sache befasste Gericht, dass die In-vitro-Zufallsmutagenese in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/18 einzubeziehen sei und somit den Verpflichtungen aus dieser Richtlinie unterliege. Da die französischen Behörden jedoch keine Maßnahmen zur Durchführung dieser Entscheidung erließen und die Kläger den Erlass einer Anordnung zur Durchführung beantragten, ersuchte das Gericht den Gerichtshof um Klarstellung, ob die In-vitro-Zufallsmutagenese einem ausnahmsweise zulässigen Verfahren der Mutagenese gleichgestellt werden kann.

EuGH: Verfahren fällt nicht in den Anwendungsbereich der GVO-Richtlinie

Der Gerichtshof hat nunmehr entschieden, dass es grundsätzlich gerechtfertigt sei, die Anwendung der in der Richtlinie 2001/18 vorgesehenen Ausnahme auf Organismen auszuschließen, die durch die In-vitro-Anwendung eines Verfahrens oder einer Methode der Mutagenese gewonnen werden, das beziehungsweise die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen in vivo angewandt wurde und in Bezug auf diese Anwendungen seit langem als sicher gilt ((hier: In-vitro-Zufallsmutagenese). Die Beschränkung des Umfangs der in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme durch die Bezugnahme auf die Kriterien, “herkömmlich“ bei einer Reihe von Anwendungen angewandt worden zu sein und “seit langem als sicher zu gelten“, diene dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt.

Ausweitung der Ausnahmeregelung nicht geboten

Eine allgemeine Ausweitung der Ausnahmeregelung würde nicht dem Willen des Unionsgesetzgebers entsprechen, zumal eine ohne Durchführung eines Risikobewertungsverfahrens erfolgte Freisetzung in die Umwelt schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit sich bringen könnte, die möglicherweise unumkehrbar seien. Dies könnte selbst dann der Fall sein, wenn diese Merkmale nicht auf die Modalitäten der Veränderung des genetischen Materials des betreffenden Organismus durch das Mutagen zurückzuführen seien. Schließlich würde es der Ausnahme ihre praktische Wirksamkeit nehmen, wenn man veränderte Verfahren zuließe.

EuGH, Urteil vom 07.02.2023 - C-688/21

Redaktion beck-aktuell, 7. Februar 2023.