EuGH: In Drittstaat arbeitende Franzosen müssen französische Sozialbeiträge entrichten

Auf Einkünfte aus Vermögen französischer Staatsangehöriger, die in einem anderen Staat als einem EU-/EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz arbeiten, dürfen französische Sozialbeiträge erhoben werden. Dies stellt der Gerichtshof der Europäischen Union klar (Urteil vom 18.01.2018, Az.: C-45/17).

EuGH enschied bereits zu im EU-Ausland lebenden Franzosen

In mehreren in den Jahren 2000 (BeckRS 2004, 76561 und BeckRS 2004, 74631) und 2015 (BeckRS 2015, 80300) ergangenen Urteilen hat der Gerichtshof geprüft, ob zwei französische Sozialabgaben (nämlich der Allgemeine Sozialbeitrag [contribution sociale généralisée – CSG] und der Beitrag zur Begleichung der Sozialschuld [contribution pour le remboursement de la dette sociale – CRDS]) auf Gehälter, Renten, Arbeitslosengeld und Einkünfte aus Vermögen von Arbeitnehmern erhoben werden konnten, die zwar in Frankreich wohnten, aber dem Sozialversicherungsrecht eines anderen Mitgliedstaats unterlagen (im Allgemeinen, weil sie dort erwerbstätig waren).

EuGH sah Verstoß gegen Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit

Der Gerichtshof hat entschieden, dass zwischen den beiden fraglichen Beiträgen und der Sozialversicherung ein unmittelbarer und hinreichend relevanter Zusammenhang bestand, da sie speziell und unmittelbar zur Finanzierung der französischen Sozialversicherung oder zum Ausgleich des Defizits des allgemeinen französischen Sozialversicherungssystems dienten. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Heranziehung der betreffenden Arbeitnehmer zu diesen Beiträgen sowohl mit dem Kumulierungsverbot von Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit (Verordnung Nr. 1408/713) als auch mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungsfreiheit unvereinbar war. Da nämlich die Betroffenen als Wanderarbeitnehmer der Sozialversicherung im Beschäftigungsmitgliedstaat unterliegen, dürften ihre Einkünfte, unabhängig davon, ob sie aus einem Arbeitsverhältnis oder aus ihrem Vermögen stammen, im Wohnsitzmitgliedstaat (hier Frankreich) nicht mit Abgaben belegt werden, die einen unmittelbaren und hinreichend relevanten Zusammenhang mit den Zweigen der sozialen Sicherheit aufweisen.

Französische Finanzverwaltung schließt für in Drittstaat wohnende Personen Erstattung aus

Im Rahmen der Durchführung des Urteils des Gerichtshofs aus dem Jahr 2015 erstattete die französische Finanzverwaltung die zu Unrecht erhobenen Abgaben. Sie stellte jedoch klar, dass das Recht auf Erstattung allein den in den Systemen der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sowie der Schweiz versicherten natürlichen Personen vorbehalten sei, wodurch in einem System der sozialen Sicherheit eines Drittstaats versicherte natürliche Personen ausgeschlossen waren.

EuGH soll Rechtmäßigkeit des Ausschlusses klären

In der vorliegenden Rechtssache ist der EuGH vom französischen Conseil d’État (Staatsrat) mit der Frage befasst worden, ob dieser Ausschluss im Einklang mit dem Unionsrecht steht. Die Person, die hier eine Erstattung der auf ihre Einkünfte aus Vermögen (Einkünfte aus Immobilien und ein infolge der Veräußerung einer Immobilie erzielter Mehrwert) erhobenen Abgaben erlangen möchte, ist ein in China ansässiger und arbeitender französischer Staatsangehöriger (Frédéric Jahin), der dort in einem privaten System der sozialen Sicherheit versichert ist.

EuGH bejaht Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

Der EuGH führt aus, dass der fragliche Ausschluss eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt, da Unionsbürger, die in einem System der sozialen Sicherheit eines anderen (EU-/EWR-)Mitgliedstaats oder der Schweiz versichert sind, eine günstigere steuerliche Behandlung (in Form einer Befreiung von den fraglichen Abgaben oder ihrer Erstattung) genössen als französische Staatsangehörige, die in einem Drittstaat wohnen und in diesem Staat (hier China) in einem System der sozialen Sicherheit versichert sind.

Beschränkung aber gerechtfertigt

Nach Ansicht des Gerichtshofs ist diese Beschränkung im vorliegenden Fall aber gerechtfertigt. Denn es bestehe ein objektiver Unterschied zwischen zum einen einem französischen Staatsangehörigen, der in einem Drittstaat wohnt und dort in einem System der sozialen Sicherheit versichert ist, und zum anderen einem Unionsbürger, der in einem System der sozialen Sicherheit eines anderen Mitgliedstaats versichert ist: Nur dem Letztgenannten könne nämlich – aufgrund seiner Zu- oder Abwanderung innerhalb der Union – der Grundsatz der Anwendbarkeit nur eines Rechts im Bereich der sozialen Sicherheit zugutekommen. Wer nicht von seiner Freizügigkeit innerhalb der Union Gebrauch gemacht habe, könne sich nicht auf diesen Grundsatz berufen. Daher könnten auf die Einkünfte aus Vermögen französischer Staatsangehöriger, die in einem anderen Staat als einem EU-/EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz arbeiten, die französischen Sozialbeiträge erhoben werden.

EuGH, Urteil vom 18.01.2018 - C-45/17

Redaktion beck-aktuell, 18. Januar 2018.

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