Vor und nach Geburt der Kinder in Österreich erwerbstätig
Die Klägerin zog im November 1987, nachdem sie eine selbstständige Erwerbstätigkeit in Österreich ausgeübt hatte, nach Belgien, wo sie 1987 und 1990 jeweils ein Kind zur Welt brachte. Ab der Geburt ihres ersten Kindes widmete sie sich der Erziehung ihrer Kinder, ohne eine Beschäftigung auszuüben, ohne Versicherungszeiten zu erwerben und ohne Leistungen für ihre Erziehung zu beziehen. Gleiches gilt für ihren Aufenthalt in Ungarn, wo sie im Dezember 1991 lebte. Nach ihrer Rückkehr nach Österreich im Februar 1993 widmete sich die Klägerin für 13 weitere Monate der Erziehung ihrer Kinder, unterlag jedoch der Pflichtversicherung und entrichtete Beiträge zum österreichischen Sozialversicherungssystem. Anschließend arbeitete sie in diesem Mitgliedstaat bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand und entrichtete Beiträge.
Im EU-Ausland zurückgelegte Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt
2017 wurde ihr von der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt antragsgemäß eine Altersrente zuerkannt, wobei die in Österreich zurückgelegten Kindererziehungszeiten Versicherungszeiten gleichgestellt und bei der Berechnung der Höhe ihrer Rente berücksichtigt wurden. Die in Belgien und Ungarn zurückgelegten Zeiten wurden hingegen nicht berücksichtigt. Die Klägerin focht den zugrundeliegenden Bescheid mit der Begründung an, dass die in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Kindererziehungszeiten auf der Grundlage von Art. 21 AEUV, in dem das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit verankert werde, Versicherungszeiten gleichzustellen seien, da sie vor und nach diesen Zeiten in Österreich gearbeitet habe und sozialversichert gewesen sei.
Österreichs Oberster Gerichtshof ruft EuGH an
EuGH: Bestimmung nicht abschließend
Mit seinem Urteil verneint der Gerichtshof, dass Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten, die ein und dieselbe Person in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegt hat, abschließend regelt und bestätigt, dass diese Zeiten im vorliegenden Fall nach Art. 21 AEUV zu berücksichtigen sind. Eine gegenteilige Auslegung liefe darauf hinaus, dass der rentenzahlungspflichtige Mitgliedstaat, in dem eine Person ausschließlich gearbeitet und Beiträge geleistet hat - und zwar sowohl vor als auch nach der Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie sich der Erziehung ihrer Kinder gewidmet hat - die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat verweigern könnte. Dies liefe insbesondere dem mit der Verordnung verfolgten Ziel, die Beachtung des in Art. 21 AEUV verankerten Grundsatzes der Freizügigkeit zu gewährleisten, zuwider und könnte somit die praktische Wirksamkeit von Art. 44 gefährden.