Hamas seit 2001 auf der Liste – LTTE kam 2006 dazu
Zur Bekämpfung des Terrorismus nahm der Rat der Europäischen Union am 27.12.2001 einen Gemeinsamen Standpunkt an und erließ am selben Tag eine Verordnung (VO (EG) Nr. 2580/2001). Diese Maßnahmen ordnen das Einfrieren der Gelder von Personen, Vereinigungen und Körperschaften an, die der Beteiligung an terroristischen Handlungen verdächtigt werden und deren Namen sich auf einer Liste befinden, die vom Rat erstellt und regelmäßig aktualisiert wird. Am 27.12.2001 erließ der Rat weiter einen ersten Beschluss, mit dem er die Hamas in die Liste aufnahm. Im Jahr 2006 setzte der Rat auch die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) auf die Liste. Die LTTE sind eine Bewegung, die sich in einem gewaltsamen Konflikt mit der Regierung von Sri Lanka befand, der 2009 zu ihrer Niederlage führte. Seit 2006 beließ der Rat die LTTE auf der Liste.
EuG monierte Herkunft der zugrundeliegenden Informationen
Die Hamas und die LTTE hatten zwar nicht die Rechtsakte des Rates angefochten, mit denen sie erstmals in die Liste aufgenommen worden waren; sie hatten aber vor dem Gericht dagegen geklagt, dass sie auf der Liste belassen wurden. Mit zwei Urteilen aus dem Jahr 2014 erklärte das Gericht die restriktiven Maßnahmen gegen die Hamas und die LTTE für nichtig (BeckRS 2014, 82192 und BeckRS 2014, 82667). Es stellte fest, dass die von der Hamas und den LTTE angefochtenen Rechtsakte nicht auf Tatsachen gestützt waren, die in Beschlüssen zuständiger Behörden geprüft und bestätigt worden waren (wie es dem Gericht zufolge der Gemeinsame Standpunkt verlangt), sondern auf Informationen, die der Rat der Presse und dem Internet entnommen hatte. Das Gericht beschloss allerdings, die Wirkungen der für nichtig erklärten Rechtsakte vorläufig (bis zum Abschluss eines eventuellen Rechtsmittelverfahrens) aufrechtzuerhalten, um die Wirksamkeit etwaiger zukünftiger Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern zu gewährleisten. Der Rat hat beim EuGH Rechtsmittel eingelegt, um die beiden Urteile des Gerichts aufheben zu lassen.
Bisherige Rechtsprechung bestätigt
Mit den jetzt ergangenen Urteilen hat der EuGH seine Rechtsprechung bekräftigt, wonach der Rat eine Person oder Organisation auf der Liste belassen darf, wenn er zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gefahr ihrer Beteiligung an terroristischen Aktivitäten, die ihre erstmalige Aufnahme in diese Liste gerechtfertigt hatte, fortbesteht (BeckRS 2012, 82443).
Innerstaatlicher Beschluss nur bei erstmaliger Aufnahme erforderlich
Nach Auffassung des EuGH muss nur die erstmalige Aufnahme einer Person oder Organisation in die Liste auf einen innerstaatlichen Beschluss, der von einer zuständigen Behörde stammt, gestützt werden. Da eine solche Voraussetzung nicht für die spätere Belassung dieser Person oder Organisation auf der Liste vorgesehen sei, kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass neue Umstände, die der Rat zur Rechtfertigung der Belassung einer Person oder Organisation auf der Liste heranzieht, nicht Gegenstand eines späteren innerstaatlichen Beschlusses der zuständige Behörde gewesen sein müssen, der nach dem Beschluss, der der erstmaligen Aufnahme in die Liste zugrunde gelegt worden war, ergangen sein müsste.
Nutzung anderer Quellen war zulässig
Die betroffene Person oder Organisation sei dadurch geschützt, dass sie sämtliche Angaben, auf die sich der Rat zum Beleg dafür stützt, dass die Gefahr ihrer Beteiligung an terroristischen Aktivitäten fortbesteht, vor dem Unionsrichter anfechten kann. Folglich habe sich der Rat – im Gegensatz zu der vom Gericht in seinen Urteilen vertretenen Auffassung – bei der Überprüfung der Situation der Hamas und der LTTE auf Angaben stützen dürfen, die er anderen Quellen als innerstaatlichen Beschlüssen zuständiger Behörden entnommen hatte.
EuG muss Umstände erneut prüfen
Hinsichtlich der Hamas stellt der EuGH fest, dass das Gericht die Aufrechterhaltung des Einfrierens der Gelder allein deshalb für nichtig erklärt hat, weil der Rat zur Begründung für die Aufrechterhaltung des Einfrierens nicht auf innerstaatliche Beschlüsse zuständiger Behörden Bezug genommen hatte. Der EuGH hat daher das Urteil von 2014 aufgehoben. Er verwies die Sache an das Gericht zurück, damit es diejenigen Tatsachen und Argumente prüfen könne, über die es in seinem Urteil von 2014 nicht befunden hatte. Da das Urteil des Gerichts aufgehoben worden ist, blieben die Rechtsakte des Rates, aufgrund deren die Gelder der Hamas eingefroren sind, bis auf weiteres in Kraft.
EuGH verweist auf militärische Niederlage der LTTE
Was die LTTE betrifft, hält der EuGH das Urteil des Gerichts trotz des darin enthaltenen Rechtsfehlers aus anderen Gründen für gerechtfertigt. Denn in seinen Begründungen für die restriktiven Maßnahmen habe der Rat keinen Umstand genannt, anhand dessen sich nachvollziehen ließe, weshalb er seinerzeit annahm, dass die LTTE trotz ihrer militärischen Niederlage im Jahr 2009 beabsichtigten, weitere Terroranschläge in Sri Lanka zu verüben. Da diese militärische Niederlage eine erhebliche Lageveränderung darstellt, die geeignet sei, das Fortbestehen der Gefahr einer Beteiligung der LTTE an terroristischen Aktivitäten in Frage zu stellen, hätte der Rat Umstände nennen müssen, die geeignet gewesen wären, seine Beurteilung zu untermauern, was er indessen nicht getan habe. Der EuGH bestätigte deshalb die Nichtigerklärung der Rechtsakte, mit denen das Einfrieren der Gelder zwischen 2011 und 2015 aufrechterhalten wurde. Im Übrigen bestätigte der Gerichtshof in der die LTTE betreffenden Rechtssache auch die im Urteil des Gerichts von 2014 getroffene Feststellung, dass der Rat die erstmalige Aufnahme einer Person oder Organisation in die Liste nur dann auf den Beschluss einer Behörde eines Drittstaats stützen darf, wenn dieser Beschluss unter Wahrung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz ergangen ist und der Rat dies in der Begründung, die der betroffenen Person oder Körperschaft mitgeteilt wird, auch darlegt.