Eine Tankstellenmitarbeiterin in Polen stellte mit den Daten ihres Arbeitgebers 1.679 Rechnungen über einen Gesamtwert von etwa 320.000 Euro aus, ohne dass entsprechende Warenverkäufe stattgefunden hatten. Die fingierten Rechnungen wurden in den Steuererklärungen der Tankstelle nicht verbucht, von den Rechnungsempfängern aber unberechtigterweise zur Mehrwertsteuererstattung benutzt.
Eine Steuerprüfung brachte die Vorgänge ans Licht, die zuständigen Behörden erließen eine die Betrugsrechnungen umfassende Mehrwertsteuerfestsetzung zulasten der Tankstelle. Nach Ansicht der Finanzverwaltung war das betrügerische Handeln ermöglicht worden, weil in der Gesellschaft, die die Arbeitnehmerin eingestellt hatte, eine angemessene Aufsicht und Organisation fehlte.
Das mit der Klage des Tankstellenbetreibers befasste polnische Gericht wollte vom EuGH wissen, wer nun zur Entrichtung der Mehrwertsteuer verpflichtet ist: die Gesellschaft, deren Daten unrechtmäßig in der Rechnung verwendet wurden oder die Arbeitnehmerin, die sich dieser Daten bediente, um falsche Rechnungen auszustellen.
Auf die Gutgläubigkeit kommt es an
Der Gerichtshof hat entschieden, dass der scheinbare Aussteller einer falschen Rechnung nicht zum Steuerschuldner wird, solange er erwiesenermaßen gutgläubig ist (Urteil vom 30.01.2024 - C-442/22). In einem solchen Fall sei der tatsächliche Aussteller zur Entrichtung der Mehrwertsteuer verpflichtet.
Um jedoch als gutgläubig angesehen zu werden, müsse der Arbeitgeber als scheinbarer Aussteller die ihm zumutbare Sorgfalt walten lassen, um das Handeln seines Arbeitnehmers zu überwachen und dadurch zu verhindern, dass seine Daten für die Ausstellung falscher Rechnungen verwendet werden. Könne er dies nicht nachweisen, bleibe es bei seiner Mehrwertsteuerpflicht.