Hafenarbeit darf anerkannten Arbeitern vorbehalten sein

Ein Gesetz, das die Hafenarbeit anerkannten Arbeitern vorbehält, kann mit dem Unionsrecht vereinbar sein, wenn es zum Ziel hat, die Sicherheit in den Hafengebieten und die Verhütung von Arbeitsunfällen zu gewährleisten. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Die Einschaltung eines paritätischen Verwaltungsausschusses bei der Anerkennung von Hafenarbeitern jedoch sei weder erforderlich noch geeignet, um das verfolgte Ziel zu erreichen.

In Belgien ist Hafenarbeit anerkannten Hafenarbeitern vorbehalten

Nach belgischem Recht darf die Hafenarbeit nur von anerkannten Hafenarbeitern verrichtet werden. Die EU-Kommission sieht hierin eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und richtete deswegen 2014 ein Mahnschreiben an Belgien. Der Mitgliedstaat erließ daraufhin 2016 einen Königlichen Erlass über die Anerkennung von Hafenarbeitern in den Hafengebieten, in dem die Modalitäten für die Durchführung des Gesetzes über die Hafenarbeit festgelegt wurden. Dies veranlasste die Kommission dazu, das Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien einzustellen.

Weiteres Unternehmen macht Verstoß gegen Handels- und Gewerbefreiheit geltend

In der Rechtssache Katoen Natie Bulk Terminals und General Services Antwerp (C-407/19) beantragten die beiden Gesellschaften, die Hafenarbeiten in Belgien und im Ausland ausführen, beim belgischen Staatsrat die Nichtigerklärung dieses Königlichen Erlasses von 2016. Sie wollen für die Arbeit in den belgischen Hafengebieten Hafenarbeiter auch aus anderen Mitgliedstaaten als Belgien einstellen. In der Rechtssache Middlegate Europe (C-471/19) war gegen die betreffende Gesellschaft eine Geldbuße verhängt worden, nachdem die belgische Polizei eine Verrichtung von Hafenarbeit durch einen nicht anerkannten Hafenarbeiter festgestellt hatte. In einem Verfahren, das bei dem in dieser zweiten Rechtssache vorlegenden Gericht, dem belgischen Verfassungsgerichtshof, anhängig ist, beanstandete Middlegate Europe die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über die Hafenarbeit und vertrat die Auffassung, dass es gegen die Handels- und Gewerbefreiheit der Unternehmen verstoße. Der belgische Staatsrat und der belgische Verfassungsgerichtshof haben jeweils den EuGH angerufen.

Hafenarbeitern aus anderen Mitgliedstaaten darf Zugang nicht völlig versagt werden

Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass die fragliche Regelung gebietsfremde Unternehmen daran hindert, ihr eigenes Personal einzusetzen oder andere nicht anerkannte Arbeiter einzustellen. Daher beschränkt diese Regelung die durch die Art. 49 und 56 AEUV garantierten beiden Grundfreiheiten der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit. Eine solche Beschränkung könne durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Im vorliegenden Fall könne die fragliche Regelung für sich allein nicht als ungeeignet oder unverhältnismäßig angesehen werden, um das mit ihr verfolgte Ziel, die Sicherheit in den Hafengebieten zu gewährleisten und Arbeitsunfälle zu verhüten, zu erreichen, so der EuGH weiter. Er entschied nach einer umfassenden Beurteilung der fraglichen Regelung, dass sie mit den Art. 49 und 56 AEUV vereinbar ist, sofern die in Anwendung der Regelung festgelegten Bedingungen und Modalitäten zum einen auf objektiven, diskriminierungsfreien und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, die den Hafenarbeitern aus anderen Mitgliedstaaten den Nachweis ermöglichen, dass sie in ihrem Herkunftsstaat Anforderungen erfüllen, die den für inländische Hafenarbeiter geltenden Anforderungen gleichwertig sind, und zum anderen kein begrenztes Kontingent anerkennungsfähiger Arbeiter festlegen.

Anerkennung durch Verwaltungsausschuss nicht mit Verkehrsfreiheiten vereinbar

Bei der anschließenden Prüfung des angefochtenen Königlichen Erlasses auf Vereinbarkeit mit den verschiedenen vom AEUV garantierten Verkehrsfreiheiten stellte der EuGH fest, dass die fragliche nationale Regelung auch die in Art. 45 AEUV verankerte Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt, da sie eine abschreckende Wirkung gegenüber Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten haben kann. Der Gerichtshof beurteilt anschließend die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der verschiedenen in dieser Regelung enthaltenen Maßnahmen in Bezug auf das Ziel, die Sicherheit in den Hafengebieten zu gewährleisten und Arbeitsunfälle zu verhüten. Dabei stellt er erstens fest, dass die fragliche Regelung nicht mit den in den Art. 45, 49 und 56 AEUV verankerten Verkehrsfreiheiten vereinbar ist. Denn sie sieht vor, dass die Anerkennung von Hafenarbeitern durch einen Verwaltungsausschuss erfolgt, der paritätisch aus Mitgliedern zusammengesetzt ist, die von den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmerorganisationen benannt werden. Dieser Ausschuss entscheidet nach Maßgabe des Arbeitskräftebedarfs auch darüber, ob die anerkannten Arbeiter in ein Kontingent von Hafenarbeitern aufzunehmen sind, wobei bei den Hafenarbeitern, die nicht in dieses Kontingent aufgenommen werden, die Dauer ihrer Anerkennung auf die Dauer ihres Arbeitsvertrags begrenzt ist, sodass für jeden neuen Vertrag, den sie schließen, ein neues Anerkennungsverfahren einzuleiten ist. Außerdem gibt es keine maximale Frist, innerhalb deren der Ausschuss entscheiden muss. Diese Regelungen seien zur Erreichung des angestrebten Ziels weder erforderlich noch geeignet.

Bedingungen für Anerkennung als rechtmäßig bestätigt

Zweitens prüft der Gerichtshof die Bedingungen für die Anerkennung von Hafenarbeitern. Nach der fraglichen Regelung muss ein Arbeitnehmer, sofern er nicht nachweisen kann, dass er in einem anderen Mitgliedstaat gleichwertige Bedingungen erfüllt, gesundheitlich geeignet sein, einen psychologischen Test bestehen und eine vorherige berufliche Fortbildung absolvieren. Bei diesen Anforderungen handele es sich um Bedingungen, die geeignet sind, die Sicherheit in den Hafengebieten zu gewährleisten, und die in Bezug auf ein solches Ziel verhältnismäßig sind. Folglich seien solche Maßnahmen mit den in den Art. 45, 49 und 56 AEUV vorgesehenen Verkehrsfreiheiten vereinbar.

Vorlegendes Gericht muss Objektivität der Untersuchungen prüfen

Es sei jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Aufgabe, die der Arbeitgeberorganisation und gegebenenfalls den Gewerkschaften der anerkannten Hafenarbeiter bei der Benennung der mit der Durchführung dieser Untersuchungen, Tests oder Prüfungen betrauten Organe übertragen wurde, nicht die Transparenz, Objektivität und Unparteilichkeit der Untersuchungen, Tests oder Prüfungen in Frage stellen kann.

Fortgeltung einer Anerkennung nach altem Recht nicht zu beanstanden

Drittens entschied der Gerichtshof, dass die fragliche Regelung, nach der die Anerkennung, die ein Hafenarbeiter gemäß einer früheren gesetzlichen Regelung erhalten hat, fortgilt, und er in das Kontingent von Hafenarbeitern aufgenommen wird, nicht als ungeeignet erscheint, das verfolgte Ziel zu erreichen, und auch nicht als unverhältnismäßig im Hinblick auf dieses Ziel, sodass sie insoweit auch mit den in den Art. 45, 49 und 56 AEUV verankerten Freiheiten vereinbar ist.

Regelung zu Transfer eines Hafenarbeiters in anderes Hafengebiet rechtens

Viertens stellt der Gerichtshof fest, dass die fragliche Regelung, wonach der Transfer eines Hafenarbeiters in das Arbeitnehmerkontingent eines anderen Hafengebiets als desjenigen, in dem er seine Anerkennung erhalten hat, den in einem Tarifvertrag festgelegten Bedingungen und Modalitäten unterliegt, mit den in den Art. 45, 49 und 56 AEUV vorgesehenen Verkehrsfreiheiten vereinbar ist. Es sei jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Bedingungen und Modalitäten im Hinblick auf das Ziel, die Sicherheit in jedem Hafengebiet zu gewährleisten, erforderlich und verhältnismäßig sind.

Erfordernis einer "Sicherheitsbescheinigung" für logistische Arbeitnehmer in Ordnung

Schließlich entscheidet der EuGH, dass eine Regelung, nach der logistische Arbeitnehmer über eine "Sicherheitsbescheinigung" verfügen müssen, deren Ausstellungsmodalitäten in einem Tarifvertrag vorgesehen sind, nicht mit den in den Art. 45, 49 und 56 AEUV verankerten Freiheiten unvereinbar ist, vorausgesetzt, dass die Bedingungen für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung in Bezug auf das Ziel, die Sicherheit in Hafengebieten zu gewährleisten, erforderlich und verhältnismäßig sind, und das Verfahren für ihre Einholung keinen unzumutbaren und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erfordert.

EuGH, Urteil vom 11.02.2021 - C-407/19

Redaktion beck-aktuell, 11. Februar 2021.

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