Grundsatz des Sendestaats gilt für grenzüberschreitende Programmverbreitung über Satelliten

Der Europäische Gerichtshof hat den Grundsatz des Sendestaats auch für Satellitenbouquet-Anbieter bestätigt. Dieser sei verpflichtet, für eine Handlung in Form der öffentlichen Wiedergabe, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte einzuholen. Er müsse diese Zustimmung aber nur in dem Mitgliedstaat einholen, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden.

Streit zwischen österreichischer Verwertungsgesellschaft und Fernsehbetreiber

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die "Autoren, Komponisten und Musikverleger registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung" (AKM), ist eine österreichische Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, die über eine Befugnis zur treuhändigen Wahrnehmung von Senderechten im österreichischen Hoheitsgebiet verfügt. Die beklagte Gesellschaft Canal+ Luxembourg Sàrl (Canal+) ist ein in Luxemburg ansässiger Fernsehbetreiber, der in Österreich Pakete verschlüsselter Programme (sogenannte Satellitenbouquets) mehrerer in anderen Mitgliedstaaten ansässiger Sendeunternehmen über Satellit in hoher Auflösung und in Standardauflösung anbietet. Die Eingabe der jeweiligen programmtragenden Satellitensignale in die Kommunikationskette erfolgt zum überwiegenden Teil durch die Sendeunternehmen selbst, in wenigen Fällen durch Canal+, aber stets in anderen Mitgliedstaaten.

AKM wendet sich gegen Verbreitung der Satellitensignale in Österreich

AKM meinte, Canal+ verletze die von ihr wahrgenommenen Rechte, und erhob bei den österreichischen Gerichten Klage, die im Wesentlichen auf Unterlassung der Verbreitung der Satellitensignale in Österreich sowie auf eine Entschädigung gerichtet war. Sie machte geltend, in den Mitgliedstaaten, in denen die Handlung in Form der Sendung oder öffentlichen Wiedergabe über Satellit stattfinde, sei für diese Nutzung keine Bewilligung eingeholt worden, und sie habe dieser Verbreitung in Österreich nicht zugestimmt. Österreichs Oberster Gerichtshof rief den EuGH zur Klärung einer Frage zur Auslegung der Richtlinie 93/83, insbesondere ihres Art. 1 Abs. 2 Buchst. b an. Gemäß dieser Bestimmung findet die öffentliche Wiedergabe über Satellit nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt.

Keine Zustimmung der Rechteinhaber in anderen Mitgliedstaaten einzuholen

Der EuGH hat dazu entschieden, dass ein Satellitenbouquet-Anbieter, der verpflichtet ist, für eine Handlung in Form der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte einzuholen, diese Zustimmung – entsprechend der dem betreffenden Sendeunternehmen erteilten Zustimmung – nur in dem Mitgliedstaat einholen muss, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden. Der Gerichtshof verweist auf die Erwägungsgründe 5, 14 und 15 der Richtlinie 93/83, wonach mit deren Art. 1 Abs. 2 Buchst. b sichergestellt werden solle, dass jede "öffentliche Wiedergabe über Satellit" ausschließlich dem Urheberrecht und dem Leistungsschutzrecht des Mitgliedstaats unterliegt, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden. Daher liefe es diesem Ziel zuwider, wenn ein Satellitenbouquet-Anbieter die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte auch in anderen Mitgliedstaaten einholen müsste.

EuGH, Urteil vom 25.05.2023 - C-290/21

Redaktion beck-aktuell, 25. Mai 2023.