EuGH zum Gegenstand des Verfahrens im Sinne der Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

Die Klage eines Gläubigers zur Wahrung seiner Interessen bei der Vollstreckung von Leistungen aus einem Vertrag über Bauleistungen kann in dem Mitgliedstaat erhoben werden, in dem diese Leistungen gemäß dem Vertrag erbracht wurden. Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 04.10.2018 hervor. Wie der EuGH in seiner Entscheidung betont, bilden bei der Klage eines Gläubigers auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Verfügungshandlung, die sein Schuldner unter Missachtung seiner Ansprüche getroffen hat, "ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens" im Sinne der Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Az.: C-337/17).

Streit um Vertrag über Bauleistungen

Die Gesellschaft Coliseum mit Sitz in Polen schloss in ihrer Eigenschaft als Generalunternehmerin mit der Gesellschaft Feniks, ebenfalls mit Sitz in Polen, als Investorin einen Vertrag über Bauleistungen im Rahmen eines Immobilieninvestitionsvorhabens in Danzig (Polen). Zur Durchführung dieses Vertrags vergab Coliseum mehrere Verträge an Subunternehmer. Da Coliseum ihre Verpflichtungen gegenüber einem Teil ihrer Subunternehmer nicht erfüllte, war Feniks gemäß den Bestimmungen des Zivilgesetzbuchs über die Gesamtschuldnerschaft des Investors zur Zahlung an diese Subunternehmer verpflichtet und wurde so für einen Betrag von insgesamt 1.396.495,48 PLN (etwa 336.174 Euro) Gläubigerin von Coliseum.

Einordnung der Gläubigeranfechtungsklage unklar

Mit 2012 in Stettin (Polen) geschlossenen Verträgen verkaufte Coliseum an das Unternehmen Azteca, dessen Sitz sich in L’Alcora (Spanien) befindet, eine in Stettin belegene Immobilie für 6.079.275 PLN (etwa 1.463.445 Euro) unter teilweiser Verrechnung älterer Forderungen von Azteca. Diese blieb Coliseum dennoch weitere 1.091.413,70 PLN (etwa 262.732 Euro) schuldig. Da das Vermögen von Coliseum keine Aktiva umfasste, erhob Feniks auf der Grundlage des polnischen Zivilgesetzbuchs beim Bezirksgericht Stettin, Polen, eine Gläubigeranfechtungsklage gegen Azteca, um den Kaufvertrag angesichts des Umstands, dass er von ihrem Schuldner unter Missachtung ihrer Ansprüche geschlossen worden sei, ihr gegenüber für unwirksam erklären zu lassen. Das Bezirksgericht Stettin möchte vom Gerichtshof wissen, ob eine Gläubigeranfechtungsklage unter "Ansprüche aus einem Vertrag" im Sinne der VO (EU) Nr. 1215/2012 fällt.

Freiwillig eingegangene Verpflichtung erforderlich

Der EuGH betont in seiner Entscheidung, dass Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen sind. Diese Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzes des Beklagten solle allerdings durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen seien. Wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, könne eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, somit in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Die Anwendung dieser besonderen Zuständigkeitsregel setze voraus, dass eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung vorliegt, auf die sich die betreffende Klage stützt.

EuGH bejaht erforderliches Kriterium

Der EuGH wies darauf hin, dass Feniks im vorliegenden Fall die von Coliseum für die Durchführung von Bauleistungen eingesetzten Subunternehmer gemäß einer Bestimmung des nationalen Rechts, die eine gesamtschuldnerische Haftung des Investors mit dem ausführenden Bauunternehmer festlegt, bezahlt hat. Daher wurzelten sowohl das Feniks zustehende Recht, auf das Vermögen ihres Schuldners zuzugreifen, als auch die Klage auf Erklärung der Unwirksamkeit des zwischen diesem und einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags in Verpflichtungen, die Coliseum mit dem Abschluss des Vertrags über Bauleistungen freiwillig gegenüber Feniks eingegangen ist.

Inhaber der Ansprüche kann Ort der Klage bestimmen

Stütze sich die Gläubigeranfechtungsklage auf Forderungen, die auf Verpflichtungen aus dem Abschluss eines Vertrags beruhen, steht es dem Inhaber dieser Ansprüche nach Ansicht des Gerichtshofs frei, die Klage beim Gericht "des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre" zu erheben. Anderenfalls wäre der Gläubiger gezwungen, seine Klage beim Gericht des Wohnsitzes des Beklagten zu erheben, wobei es diesem Gerichtsstand unter Umständen an jeglicher Verbindung zum Erfüllungsort der Verpflichtungen des Schuldners gegenüber seinem Gläubiger fehlen könnte.

Ziel der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften erfüllt

Weil die Klage des Gläubigers im vorliegenden Fall der Wahrung seiner Interessen an der Vollstreckung der aus dem Bauleistungsvertrag bestehenden Verpflichtungen besteht, sei der "Ort, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre", folglich derjenige, an dem diese Leistungen gemäß dem Vertrag erbracht wurden, mithin in Polen. Nach der Auffassung des EuGH entspricht dieses Ergebnis dem Ziel der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften, zumal ein Gewerbetreibender, der einen Immobilienkaufvertrag geschlossen hat, dann, wenn ein Gläubiger seines Vertragspartners geltend macht, dass dieser Vertrag die Vollstreckung der Verpflichtungen dieses Vertragspartners ihm gegenüber ungerechtfertigt behindere, vernünftigerweise damit rechnen müsse, vor dem Gericht des Ortes der Erfüllung dieser Verpflichtungen verklagt zu werden.

EuGH, Urteil vom 04.10.2018 - C-337/17

Redaktion beck-aktuell, 5. Oktober 2018.