EuGH-Generalanwalt: Frankreich konnte Uber-Verbot ohne Mitteilung an Kommission erlassen

Nach Ansicht von Generalanwalt Maciej Szpunar können die Mitgliedstaaten die rechtswidrige Ausübung von Beförderungstätigkeiten im Rahmen des Dienstes UberPop verbieten und strafrechtlich ahnden, ohne der Kommission den Gesetzentwurf zuvor mitzuteilen. Uber sei nicht als Dienst der Informationsgesellschaft anzusehen und das Verbot der Beförderungstätigkeit stelle auch keine “technische Vorschrift“ im Sinn der Richtlinie über Normen und technische Vorschriften dar, betonte der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof in seinem Schlussantrag vom 04.07.2017 (Az.: C-320/16).

Sachverhalt

Das französische Unternehmen Uber France betreibt eine elektronische Plattform, über die durch den Einsatz eines mit der entsprechenden Applikation versehenen Smartphones in den Städten, in denen Uber präsent ist, eine Dienstleistung des Personennahverkehrs bestellt werden kann. Im Rahmen des Dienstes UberPop befördern Privatleute, die keine Berufskraftfahrer sind, in ihren eigenen Autos die Fahrgäste. Uber France wird strafrechtlich verfolgt, weil es über den Dienst UberPop ein System der Zusammenführung von Kunden mit Fahrern organisiert hat, die keine Berufskraftfahrer sind und Personen in Fahrzeugen mit weniger als zehn Sitzplätzen entgeltlich befördern. Uber France trägt vor, dass die französische Regelung, auf deren Grundlage sie verfolgt werde, eine technische Vorschrift darstellt, die unmittelbar einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie über Normen und technische Vorschriften betrifft.

Französische Regelung wurde ohne Mitteilung an Kommission erlassen

Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, der Kommission jeden Entwurf eines Gesetzes oder einer Regelung mitzuteilen, wenn damit technische Vorschriften für Erzeugnisse und Dienstleistungen der Informationsgesellschaft eingeführt werden. Die französischen Behörden haben der Kommission den Gesetzentwurf jedoch nicht vor seiner Verabschiedung mitgeteilt. Uber France leitet daraus ab, dass es deshalb nicht für ihm ihr zur Last gelegten Tat belangt werden kann. Das mit der Rechtssache befasste französische Regionalgericht fragte den Gerichtshof, ob die französischen Behörden verpflichtet waren, der Kommission den Gesetzentwurf vorab mitzuteilen.

Generalanwalt: Uber nicht als Dienst der Informationsgesellschaft anzusehen

Der Generalanwalt vertritt die Auffassung, dass unabhängig von der Frage, ob der Dienst UberPop unter die Richtlinie fällt oder nicht, die Mitgliedstaaten die rechtswidrige Ausübung einer Beförderungstätigkeit wie der von UberPop verbieten und ahnden können, ohne der Kommission den Gesetzentwurf zuvor mitteilen zu müssen. Er wies darauf hin, dass gemäß seinen Schlussanträgen vom 11.05.2017 in der Rechtssache Uber Spanien der Dienst UberPop zum Verkehrssektor gehöre und somit keinen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinn der Richtlinie darstelle. In diesem Fall wäre die Richtlinie nicht anwendbar und eine Mitteilung des Gesetzentwurfs an die Kommission nicht erforderlich.

Verbot der Beförderungstätigkeit keine "technische Vorschrift" im Sinn der Richtlinie

Für den Fall, dass der Gerichtshof etwas anderes entscheiden sollte, sei aber ebenfalls keine Mitteilung des Gesetzentwurfs an die Kommission erforderlich, so der Generalanwalt weiter. Denn es liege keine “technische Vorschrift“ im Sinn der Richtlinie vor, wenn die Tätigkeit eines Vermittlers wie Uber bei der rechtswidrigen Ausübung der Beförderungstätigkeit verboten und geahndet werde. Die Mitteilungspflicht gelte nur für technische Vorschriften, die ausdrücklich und gezielt den Zugang zu den Aktivitäten der Dienste der Informationsgesellschaft und deren Betreibung regeln. Vorschriften, die sich lediglich indirekt oder im Sinn eines Nebeneffekts auf diese Dienste auswirken, unterlägen hingegen nicht der Mitteilungspflicht. Die streitige französische Regelung betreffe die Dienste der Informationsgesellschaft nur im Sinne eines Nebeneffekts.

Regelung zielt nicht unmittelbar auf "Dienst der Informationsgesellschaft" ab

Auch wenn sie hauptsächlich einen Dienst der Informationsgesellschaft berühre (und zwar ein System der Zusammenführung auf elektronischem Weg), ziele sie nämlich nicht spezifisch auf diesen Dienst ab, so der Generalanwalt weiter. Dies wäre nur der Fall, wenn sie die Tätigkeit des Zusammenführens von Kunden mit Beförderungsdienstleistern allgemein verbieten oder auf andere Art und Weise regeln würde. Vielmehr ziele die Regelung nur darauf, die Effektivität der Vorschriften über Verkehrsdienste (die nicht von der Richtlinie erfasst würden) sicherzustellen. Dass das Geschäftsmodell von UberPop mit den französischen Vorschriften über die Personenbeförderung unvereinbar sei, weil die Fahrer, die keine Berufskraftfahrer seien, nicht über die nach französischem Recht für die Ausübung der Beförderungstätigkeit erforderlichen Genehmigungen verfügten, bedeute nicht, dass die in Rede stehende Regelung eine technische Vorschrift darstelle, die die Vermittlungstätigkeiten im Verkehrssektor allgemein regele.

Andere Wertung würde zu unangemessener Erweiterung der Mitteilungspflicht führen

Wenn jede nationale Bestimmung, mit der die Vermittlung rechtswidriger Tätigkeiten verboten oder geahndet werde, schon deshalb als technische Vorschrift anzusehen wäre, weil diese Vermittlung höchstwahrscheinlich elektronisch erfolge, müsste eine Vielzahl innerstaatlicher Vorschriften der Mitgliedstaaten mitgeteilt werden. Dies würde zu einer unangemessenen Erweiterung der Mitteilungspflicht führen, ohne tatsächlich zur Verwirklichung der Ziele dieses Verfahrens beizutragen, das verhindern solle, dass die Mitgliedstaaten mit dem Binnenmarkt unvereinbare Maßnahmen erließen, und eine bessere Nutzung der Vorteile des Binnenmarkts durch die Wirtschaftsteilnehmer ermöglichen solle.

EuGH, Schlussanträge vom 04.07.2017 - C-320/16

Redaktion beck-aktuell, 4. Juli 2017.

Mehr zum Thema