Streit um staatliche Beihilfen für AKW Hinkley Point C
Die Kommission hatte 2014 Beihilfen genehmigt, die das Vereinigte Königreich zur Schaffung neuer Kapazitäten für die Erzeugung von Kernenergie für Hinkley Point C gewähren wollte. Das Gericht der Europäischen Union wies die von Österreich erhobene Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission im Juli 2018 ab. Österreich hat dagegen beim EuGH Rechtsmittel eingelegt und die Aufhebung des Urteils beantragt.
EuGH-Generalanwalt: AEUV-Bestimmungen über Beihilfen auf Kernenergiesektor subsidiär anwendbar
Nach Ansicht des Generalanwalts hat das EuG die Klage auf Nichtigerklärung des Kommissionsbeschlusses zu Recht abgewiesen. Er schlägt dem EuGH daher vor, das von Österreich gegen das Urteil des Gerichts eingelegte Rechtsmittel zurückzuweisen. Dem Euratom-Vertrag komme derselbe Rang als Primärrecht der Union zu wie dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Diese beiden Verträge seien in allen vom Unionsrecht erfassten Bereichen anwendbar, die im Euratom-Vertrag nicht geregelt seien. Da sich im Euratom-Vertrag keine Regelung über staatliche Beihilfen finde, sei es angemessen, die Bestimmungen des AEUV über Wettbewerb und staatliche Beihilfen auf den Kernenergiesektor anzuwenden, wenn der Euratom-Vertrag keine speziellen Bestimmungen enthalte.
Akw-Bau von Euratom-Vertrag gedeckt
Der Generalanwalt führt weiter aus, dass die Bestimmungen des Euratom-Vertrags die Entwicklung von Kernkraftwerken notwendig vorsähen. Deshalb könne dem Vorbringen Österreichs, dass diese Bestimmungen des Euratom-Vertrags weder den Bau weiterer Kernkraftwerke noch die Ersetzung und Modernisierung alternder Werke durch aktuellere, bereits entwickelte Technologien deckten, nicht gefolgt werden.
Entwicklung der Kernkraft klar definiertes Ziel des Unionsrechts
Ferner sei die Entwicklung der Kernkraft, wie im Euratom-Vertrag zum Ausdruck komme, ein klar definiertes Ziel des Unionsrechts, und dieses Ziel könne anderen Zielen des Unionsrechts wie etwa dem Umweltschutz nicht untergeordnet sein. Zudem werde mit dem klaren Wortlaut des Vertrags ersichtlich das Recht jedes Mitgliedstaats anerkannt, zwischen verschiedenen Energiequellen zu wählen und "die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung zu bestimmen", und dieses Recht umfasse notwendig das Recht jedes Mitgliedstaats, die Kernkraft als Teil seiner Energieversorgungsquellen zu entwickeln.
Beihilfe muss weder Ziel von gemeinsamem noch öffentlichem Interesse verfolgen
Das vom Gericht in einer Reihe von Rechtssachen aus jüngster Zeit aufgestellte Erfordernis, wonach eine nach dem AEUV genehmigte staatliche Beihilfe einem Ziel von gemeinsamem Interesse dienen müsse, sei kein Tatbestandsmerkmal der maßgeblichen Vertragsbestimmung. Folglich müsse die Beihilfe über die in dieser Bestimmung genannten Ziele hinaus keinen weiteren Zielen dienen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung und ihrer Stellung im AEUV müsse mit einer Beihilfe für deren Vereinbarkeit mit dem Vertrag weder ein "Ziel von gemeinsamem Interesse“ noch ein "Ziel von öffentlichem Interesse“ verfolgt werden. Die Beihilfe müsse lediglich der "Förderung gewisser Wirtschaftszweige“ dienen und dürfe "die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft“.
Anerkennung des Rechts zum Akw-Bau begründet jedenfalls auch Ziel von gemeinsamem Interesse
Jedenfalls hätten alle Mitgliedstaaten mit der Zustimmung zu den Zielen des Euratom-Vertrags klar die uneingeschränkte Anerkennung des Rechts anderer Mitgliedstaaten bekundet, in ihrem eigenen Hoheitsgebiet Kernkraftwerke zu entwickeln, wenn sie dies wünschten. Ein klar bestimmtes Vertragsziel dieser Art müsse für die Zwecke der Anwendung der Beihilferegeln ein Ziel von gemeinsamem Interesse sein können.
Annahme relevanten Wirtschaftszweigs zutreffend
Nach Auffassung von Hogan hat das Gericht in seiner Würdigung zu Recht befunden, dass der Kommission umfangreiche Beweise dafür vorgelegen hätten, dass der Markt entweder nicht Willens oder sogar nicht in der Lage gewesen sei, das Vorhaben Hinkley Point C ohne die vom Vereinigten Königreich gewährten Garantien oder Beihilfen anderer Art zu finanzieren. Das Gericht habe die Erzeugung von Kernenergie rechtsfehlerfrei als den relevanten Wirtschaftszweig im Sinne der Beihilferegeln angesehen.
Vereinbarkeit mit Umweltschutzregeln nicht zu prüfen
Die Kommission habe in Fällen, in den es um staatliche Beihilfen gehe, nur zu prüfen, ob die fragliche staatliche Maßnahme "als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann“. Diese Aufgabe bestehe im Wesentlichen in der Prüfung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe mit den Wettbewerbsregeln und dem Binnenmarkt, nicht aber mit den Umweltschutzregeln als solchen.