Rundfunkbeitrag wichtigste Einnahmequelle
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind verpflichtet, bei der Erbringung ihrer Dienste Unparteilichkeit und Vielfalt, Sachlichkeit und inhaltliche Ausgewogenheit der Programme zu gewährleisten. Da die Bundesländer die Gesetzgebungskompetenz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk innehaben, wurden die Einrichtung und die Verwaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie die Erbringung ihrer Dienste auf Bundesebene durch eine Reihe von zwischen diesen Ländern geschlossenen Staatsverträgen geregelt. Aus ihnen ergibt sich, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf nationaler Ebene (wie ARD und ZDF) und andere auf regionaler Ebene (wie der SWR, Südwestrundfunk, Anstalt des öffentlichen Rechts) durch Einnahmen finanziert werden, die aus drei Quellen stammen: dem Rundfunkbeitrag (der die vorrangige Finanzierungsquelle darstellt), dem Verkauf von Werbeplätzen und anderen gewerblichen Tätigkeiten.
Neuregelung im Jahr 2013
In einer Entscheidung aus dem Jahre 2007 stellte die Kommission fest, dass die Finanzierungsmethode des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland als "bestehende Beihilfe" im Sinne des Unionsrechts eingestuft werden könne. Dies bedeutet, dass die Beihilfe vor Inkrafttreten des Vertrags bestand und auch nach diesem Zeitpunkt noch anwendbar ist. Diese Beihilfen müssen der Kommission nicht notifiziert werden. Gleichwohl räumte die deutsche Regierung auf die Ausführungen der Kommission hin einige Umstände aus, die die Regelung mit dem Binnenmarkt unvereinbar machten. Keine dieser Maßnahmen betraf den Rundfunkbeitrag. Im Jahr 2013 änderte sich das Kriterium für die Entstehung des Beitrags: Wurde er bis dahin im Wesentlichen wegen des Besitzes von Rundfunkempfangsgeräten im Inneren einer Wohnung fällig, reicht seither der bloße Besitz einer Wohnung als Eigentümer oder Mieter aus.
LG Tübingen zweifelt an Vereinbarkeit mit Unionsrecht
Dieses neue Kriterium wurde von mehreren Beitragspflichtigen bei verschiedenen deutschen Gerichten angefochten, unter anderem beim Landgericht Tübingen, das dem Gerichtshof Fragen zur Vereinbarkeit des Beitrags mit dem Unionsrecht vorlegte (ZUM 2018, 466). Das LG vertrat die Ansicht, die gesetzliche Änderung des Entstehungstatbestands für den Beitrag stelle eine wesentliche Umgestaltung dar, die der Kommission hätte mitgeteilt werden müssen. Jedenfalls sei die aus dieser Umgestaltung folgende Beihilfe unvereinbar mit dem Binnenmarkt. Zudem habe der Umstand, dass die Zahl der Beitragspflichtigen auf die gesamte erwachsene Bevölkerung erweitert worden sei, zu einer erheblichen Erhöhung des Aufkommens um circa 700 Millionen Euro pro Jahr geführt. Schließlich werde den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine weitere staatliche Beihilfe gewährt, da ihnen gestattet werde, ihre Vollstreckungstitel zur Beitreibung rückständiger Beiträge selbst auszustellen. Dieser öffentlich-rechtliche Vollstreckungsmechanismus, der einfacher, schneller und billiger sei als das ordentliche Vollstreckungsverfahren, führe zu einer Reduzierung der Vollstreckungskosten.
EuGH-Generalanwalt: Keine Änderung bestehender Beihilfe
Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona vertritt in seinen Schlussanträgen die Ansicht, dass das deutsche Gesetz, durch das der Entstehungstatbestand für den Rundfunkbeitrag geändert worden sei, keine Änderung einer bestehenden Beihilfe darstelle und daher keine neue Beihilfe schaffe, die bei der Kommission angemeldet und von ihr hätte genehmigt werden müssen. Die erfolgte Änderung falle nicht unter den Begriff einer wesentlichen Änderung der bestehenden Regelung. Hierzu führte er aus, dass es sich bei den Beihilfeempfängern weiterhin um die öffentlichen Rundfunkanstalten handele und dass sowohl die zeitlichen als die objektiven Elemente (weil sich der Zweck der Maßnahme, nämlich die Finanzierung der öffentlichen Dienstleistung, und der Kreis der subventionierten Tätigkeiten nicht geändert hätten) unverändert blieben.
Kein automatischer Zusammenhang zwischen Erhöhung des Beitragsaufkommens und Höhe der Beihilfe
Zudem schienen nach den vor dem Gerichtshof gemachten Angaben die durch die Erhebung des Beitrags erzielten Einnahmen zwischen 2009 (vor der Gesetzesänderung) und 2016 entgegen den Angaben des deutschen Gerichts stabil geblieben zu sein. Jedenfalls seien weder die Erhöhung der Zahl der Beitragspflichtigen noch die (angebliche) Erhöhung des erzielten endgültigen Aufkommens für die Beurteilung der Neuigkeit der Maßnahme relevant, so Campos Sánchez-Bordona. Unabhängig von seiner Höhe sei der Anteil an dem Aufkommen, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugewiesen werde (also der Teil, der tatsächlich als staatliche Beihilfe eingestuft werden könne), der, den die Landesparlamente und -regierungen nach Intervention der KEF (Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) festlegten. Es bestehe folglich kein automatischer Zusammenhang zwischen einer (eventuellen) Erhöhung des endgültigen Aufkommens und der Höhe der Beihilfe, die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erhielten. Die bloße Änderung der Grundlage für die Bestimmung der Zahlungspflicht der Beitragspflichtigen für sich allein könne die Höhe der von den Rundfunkanstalten empfangenen Beihilfen nicht ändern und daher keinen Einfluss auf ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt haben.
Neuregelung auch technischem Fortschritt geschuldet
Der Generalanwalt fügte hinzu, dass sich die Änderung des Entstehungstatbestands neben anderen Gründen durch den technologischen Fortschritt erkläre. Hätte man das frühere System ("ein Gerät, eine Gebühr") aufrechterhalten, hätte angesichts der Verbreitung neuer Geräte, die Zugang zu Rundfunkprogrammen ermöglichten, das Risiko einer Vervielfachung der Einnahmen bestanden. Die Änderung diene auch dem Zweck, die Beitragserhebung zu vereinfachen, die an zunehmender Säumigkeit der Beitragspflichtigen gelitten habe.
Mechanismus der Verwaltungsvollstreckung bereits genehmigt
Der Generalanwalt kommt hinsichtlich des Gebrauchs des Mechanismus der Verwaltungsvollstreckung zu dem Ergebnis, dass das Unionsrecht der deutschen Regelung, die es den durch Rundfunkbeiträge finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gestatte, zur Beitreibung rückständiger Beiträge ihre eigenen Vollstreckungstitel auszustellen und zu vollstrecken, ohne die ordentlichen Gerichte anrufen zu müssen, nicht entgegenstehe. Neben anderen Erwägungen wies er darauf hin, dass die Kommission dieses Vorrecht in ihrer Entscheidung aus dem Jahr 2007 bereits berücksichtigt habe. Die Beitreibung in diesem Verwaltungszwangsverfahren habe bedeutet, dass die so erhobenen Einnahmen unter staatlicher Kontrolle gestanden und daher die Eigenschaft staatlicher Mittel gehabt hätten. Da das von der Kommission geprüfte System der Verwaltungsvollstreckung keine Änderung oder Neuerung erfahren habe, falle es nach wie vor unter die durch die Entscheidung aus dem Jahr 2007 erteilte Genehmigung.