EuGH-Generalanwalt will religiöses Schlachten ohne Betäubung nicht verbieten

Das Schlachten ohne Betäubung nach jüdischen oder muslimischen Riten darf nicht verboten werden. Denn das widerspräche der in der europäischen Grundrechtecharta verankerten Religionsfreiheit, meint der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Gerard Hogan. Das Urteil des EuGH wird in einigen Wochen erwartet.

Hintergrund: Belgisches Verbot

Dem Verfahren vor dem EuGH liegt ein politisch hoch brisanter Rechtsstreit aus Belgien zugrunde. Dort hatte die Region Flandern die Schlachtung ohne Betäubung 2017 aus Tierschutzgründen verboten. Jüdische und muslimische Verbände klagen dagegen. In beiden Religionen gibt es Vorschriften zum Schlachten ohne Betäubung, um Fleisch koscher beziehungsweise halal herzustellen. Gläubige sehen ihre Religionsfreiheit in Gefahr.

Hogan: Vollständiges Verbot unzulässig

Generalanwalt Hogan verweist darauf, dass die EU-Verordnung zum Schutz von Tieren zwar grundsätzlich vorgibt, Tiere nur nach Betäubung zu töten. Sie sehe aber auch ausdrücklich Ausnahmen vor, um den religiösen Riten bestimmter Glaubensrichtungen Rechnung zu tragen. Die EU-Staaten dürften im nationalen Recht Bestimmungen erlassen, um das Leiden von Tieren so gering wie möglich zu halten. Ein völliges Verbot würde aber gegen EU-Recht verstoßen.

Schächten schwerlich mit Tierschutz vereinbar

Hogan unterstreicht, dass sich die Bewahrung religiöser Riten zur Schlachtung nur schwer mit modernem Tierschutz vereinbaren lasse. Die im EU-Recht vorgegebene Ausnahme sei jedoch als politische Entscheidung rechtlich zulässig. Sie dürfe nicht von einzelnen Mitgliedsstaaten ausgehöhlt werden. Tierschützer kritisieren das sogenannte Schächten, weil die Tiere mit einem Schnitt durch die Kehle getötet werden und ausbluten. Nach religiösen Vorgaben des Islam und des Judentum soll kein Blut verzehrt werden.

EuGH, Schlussanträge vom 10.09.2020 - C-336/19

Redaktion beck-aktuell, 10. September 2020 (dpa).