EuGH-Generalanwalt: Kfz-Haftpflicht greift bei länger geparktem, von selbst in Brand geratenem Fahrzeug

Nach Auffassung des Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Yves Bot erfasst der Begriff "Verwendung eines Fahrzeugs" im Sinne der Kraftfahrzeughaftpflichtrichtlinie 2009/103/EG  auch den Fall, dass ein seit mehr als 24 Stunden in einer Privatgarage abgestelltes Fahrzeug von selbst in Brand gerät (Schlussanträge vom 28.02.2019, Az.: C-100/18).

In Garage geparktes Fahrzeug geriet in Brand

Im August 2013 fing ein Fahrzeug, das in der Garage eines Einfamilienhauses seit mehr als 24 Stunden geparkt war, Feuer. Dadurch wurde das Haus beschädigt. Der Brand ging vom Schaltkreis des Fahrzeugs aus. Der Hausversicherer (Segurcaixa) zahlte der Gesellschaft, in deren Eigentum das Haus stand, 44.704,34 Euro als Ersatz für die durch den Fahrzeugbrand entstandenen Sachschäden am Haus. Im März 2014 verklagte Segurcaixa den Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs (Línea Directa) bei einem spanischen Gericht auf Erstattung des geleisteten Schadensersatzes, weil der Schadensfall bei der Fahrzeugverwendung entstanden sei.

Brand als "Ereignis bei der Fahrzeugverwendung" zu werten?

Das Gericht wies die Klage ab, weil der Brand kein "Ereignis bei der Fahrzeugverwendung" sei. Dagegen legte Segurcaixa ein Rechtsmittel ein. Das Rechtsmittelgericht hob das Urteil auf und gab der Klage statt. Es führte aus, dass der Brand in einem vom Eigentümer vorübergehend in einer Garage abgestellten Fahrzeug als ein "Ereignis bei der Fahrzeugverwendung" zu werten sei, wenn er ursächlich im Innern des Fahrzeugs selbst, ohne Zutun Dritter, entstanden ist. Línea Directa legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim Obersten spanischen Gerichtshof ein. Dieses hatte Zweifel, wie der Begriff "Verwendung eines Fahrzeugs" im Sinne der Richtlinie 2009/103/EG über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung auszulegen sei, und rief dazu den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an.

EuGH-Generalanwalt: Auch Brand eines länger abgestellten Fahrzeuges erfasst

Nach Auffassung des Generalanwalts Yves Bot fällt der Ausgangsfall unter den autonomen unionsrechtlichen Begriff "Verwendung eines Fahrzeugs". Nach derzeitigem Stand der EuGH-Rechtsprechung bestehe kein Zweifel, dass dieser Begriff den Fall erfasse, dass ein Schaden verursacht worden sei, während das Fahrzeug auf einem Privatparkplatz abgestellt gewesen sei. Allerdings hätten die verschiedenen vom EuGH entschiedenen Rechtssachen gemeinsam, dass es jeweils um ein Fahrzeug gegangen sei, das (gerade) verwendet worden sei. Es sei daher zu bestimmen, ob der Schutz, den die Unionsregelung im Bereich der Kraftfahrzeug-Haftpflicht gewähre, ausgeschlossen werden könne, wenn das Fahrzeug nicht in hinreichender zeitlicher Nähe zum Unfall verwendet worden sei.

EU-Recht zieht keine zeitlichen Grenzen für Unfalleintritt

Nach Bots Ansicht ist dies nicht der Fall. Der Unionsgesetzgeber habe in Bezug auf die Gewährung des Schutzes für die Opfer von Verkehrsunfällen keine zeitlichen Grenzen für den Unfalleintritt festgelegt. Durch die EuGH-Rechtsprechung solle das vom Unionsgesetzgeber ständig verfolgte und verstärkte Ziel des Schutzes verwirklicht werden, wann immer ein Fahrzeug entsprechend seiner Funktion als Beförderungsmittel verwendet werde oder verwendet werden solle. Außerdem würde eine Einzelfallprüfung, wie lange das Fahrzeug zuvor verwendet worden sei, zu Rechtsunsicherheit zu führen, was diesem Ziel widerspräche.

Lediglich nicht Beförderungszwecken dienende Fahrzeuge ausgeschlossen

Daraus leitet Bot ab, dass nur jene Fälle nicht vom Begriff "Verwendung eines Fahrzeugs" erfasst seien, bei denen der Schadensfall eintrete, während das Fahrzeug zu anderen als Beförderungszwecken diene oder gedient habe, wie etwa als Arbeitsmaschine, Waffe oder Wohnstätte.

Feststellung konkreter Schadensursache nicht erforderlich

Laut Bot ist noch zu bestimmen, ob Grenzen gezogen werden müssen, die sich auf die Schadensursache bezögen, nämlich die Mechanismen, die für die Beförderungsfunktion des Fahrzeugs notwendig seien. Er verneint dies. Zum einen habe der Unionsgesetzgeber keine derartigen Voraussetzungen festgelegt. Zum anderen genüge angesichts dessen, dass das Fahrzeug den Brand von selbst ausgelöst habe, die Feststellung, dass das Fahrzeug am Unfall beteiligt sei. Da diese Gefahrenart der Beförderungsfunktion des Fahrzeugs innewohne, erübrige sich die Suche nach irgendeiner Handlung oder nach einer konkreten Schadensursache. Diese Auslegung stehe im Einklang mit dem Ziel, Opfern von Verkehrsunfällen unabhängig davon, wo in der Union sich der Unfall ereignet habe, eine vergleichbare Behandlung zu garantieren. Unter diesen Voraussetzungen ergebe sich die Beteiligung des entsprechend seiner Funktion als Beförderungsmittel verwendeten Fahrzeugs aus der bloßen Feststellung, dass es – auf welche Art auch immer – zum Unfalleintritt beigetragen hat.

EuGH, Schlussanträge vom 28.02.2019 - C-100/18

Redaktion beck-aktuell, 28. Februar 2019.