EuGH-Generalanwalt hält auch nicht einstimmig beschlossenen EU-Beitritt zur Istanbul-Konvention für möglich

Die Europäische Union kann nach Ansicht des Generalanwalts Hogan am Gerichtshof der Europäischen Union auch dann der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen beitreten, wenn ein entsprechender Beschluss der EU-Länder "ohne einstimmige Entscheidung aller Mitgliedstaaten, durch dieses Übereinkommen gebunden zu sein, angenommen wurde". Dies geht aus dem heutigen Schlussantrag des Generalanwalts in einem Gutachtenverfahren hervor.

Beitritt der EU ohne Ratifikation aller Mitgliedsländer

Sprich: Auch wenn die Konvention nicht in allen Mitgliedsländern ratifiziert wurde, könnte die EU nach Ansicht des Gutachters als Union beitreten. Zudem wird über komplizierte juristische Feinheiten diskutiert - so hatten die EU-Länder entschieden, das Übereinkommen zur Unterzeichnung in zwei Beschlüsse aufzuspalten. Unter anderem wurde die Frage aufgeworfen, ob der Abschluss des Übereinkommens unter diesen konkreten Umständen mit EU-Recht vereinbar sei. Generalanwalt Hogan bejaht diese Frage.

Übereinkommen zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen

Das Übereinkommen wurde 2011 vom Europarat, dem 47 Staaten angehören, ausgearbeitet und soll einen europaweiten Rechtsrahmen schaffen, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und zu bekämpfen. Die EU hat es 2017 unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Das internationale Abkommen verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zu zahlreichen Maßnahmen, die eine umfassende Prävention, den Schutz der Opfer und die Verurteilung der Täter zum Ziel haben.

Mehrere Länder haben Zweifel an der Konvention

Mehrere Länder hatten Zweifel an der Konvention geäußert. So überprüft Polen einen möglichen Austritt aus der Istanbul-Konvention. Das Verfassungsgericht beschäftigt sich derzeit mit der Frage, ob das Dokument mit der polnischen Verfassung vereinbar sei. Polen hatte die Konvention 2012 unterzeichnet und - anders als die Nachbarstaaten Tschechien und Slowakei - im Jahr 2015 auch ratifiziert.

Redaktion beck-aktuell, 11. März 2021 (dpa).