Gerichtsstand bei Verletzung des Wettbewerbsrechts durch Vertragspartner

Verklagt ein Unternehmen seinen Vertragspartner wegen Verletzung von Wettbewerbsregeln auf Unterlassung und Schadensersatz, steht ihm auch der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung offen. Das hat der Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe dem Europäischen Gerichtshof in seinen Schlussanträgen vom 10.09.2020 auf eine Anfrage des Bundesgerichtshofs hin vorgeschlagen.

Vertrag mit booking.com

Die kleine Hotelgesellschaft Wikingerhof GmbH & Co. KG hatte einen Vertrag mit der niederländischen Booking.com BV geschlossen, um das von ihr betriebene Hotel auf der gleichnamigen Online-Hotelbuchungsplattform eintragen zu lassen. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen sahen unter anderem vor, dass die Platzierung des Hotels in den Suchergebnissen auf dieser Plattform von der Gewährung einer 15% übersteigenden Provision abhängig sein sollte. Der Wikingerhof sah darin einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung und verklagte die Vermittlungsgesellschaft unter Berufung auf das deutsche Wettbewerbsrecht auf Unterlassung dieser Praktiken vor dem Landgericht Kiel. Dieses erklärte sich wegen einer Vereinbarung, nach der ausschließlich Amsterdam als Streitaustragungsort vorgesehen war, für unzuständig. Der dann angerufene Bundesgerichtshof legte dem Europäischen Gerichtshof im Rahmen einer Vorabentscheidung die Frage vor, ob die sogenannte Brüssel-Ia-Verordnung (VO (EU) 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit über Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) so auszulegen sei, dass die Hotelgesellschaft die Klage in Deutschland am besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung erheben könne.

Europäische Gerichtsstände

Auch das europäische Recht sieht als allgemeinen Gerichtsstand den Sitz des Beklagten - hier in den Niederlanden - vor. Art. 7 Nr. 2 der Brüssel-Ia-Verordnung benennt als besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Wie in Deutschland kann der Kläger dann zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Gerichtsstand wählen.

Vertraglicher oder deliktischer Anspruch?

Ob nun hier der gewählte Ort Kiel einschlägig ist, hängt laut der Schlussanträge entscheidend davon ab, was die Hotelgesellschaft erreichen will und auf welche Vorschriften sie ihre Forderung stützt: Mit der Behauptung, booking.com würde eine marktbeherrschende Stellung ausnutzen und ihr mit der 15 %-Mindestprovision für die Platzierung in den Suchergebnissen unlautere Geschäftsbedingungen aufzwingen, berufe sie sich auf das Wettbewerbsrecht. Allein diese Vorschriften bildeten den Bezugspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Provisionsregelung - der geschlossene Vertrag hingegen sei für die Kriterien des verbotenen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung irrelevant: Ein Vertrag könne nicht zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten ermächtigen. Der EuGH folgt häufig - jedoch nicht immer - den Schlussanträgen.

EuGH, Schlussanträge vom 10.09.2020 - C-59/19

Redaktion beck-aktuell, 11. September 2020.