EuGH-Generalanwalt: Gefährder dürfen vor Abschiebung ins Gefängnis

Deutsche Behörden dürfen sogenannte Gefährder – anders als gewöhnliche Abschiebehäftlinge – in normalen Haftanstalten unterbringen. Dies gilt nach den Schlussanträgen des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof Priit Pikamäe vom 27.02.2020 (Az.: C-18/19) zumindest dann, wenn der Kontakt zu verurteilten Gefangenen ausgeschlossen ist. Als "Gefährder" bezeichnet die Polizei im Bereich der politisch motivierten Kriminalität Menschen, denen sie schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zutraut.

Tunesischer Gefährder wurde in regulärer Haftanstalt untergebracht

Hintergrund des Rechtsstreits ist die Abschiebung eines Tunesiers aus Hessen im Mai 2018. Nach Einschätzung der hessischen Behörden war er ein radikaler Islamist, von dem eine besondere Gefahr ausging. Der Verfassungsschutz stufte ihn als Schleuser und Anwerber für die Terrormiliz "Islamischer Staat" ein. Deshalb fiel der Beschluss für die Abschiebung und er wurde im August 2019 in Haft genommen. Da er als besonders gefährlich galt, wurde er in einem Gefängnis in Frankfurt am Main untergebracht, wo er strenger gesichert war als in einer regulären Abschiebehafteinrichtung. Diese Möglichkeit sieht das deutsche Aufenthaltsgesetz vor für Menschen, von denen eine erhebliche Gefahr ausgeht. Sie müssen aber von Strafgefangenen getrennt werden. Der Betroffene wehrte sich juristisch.

Pikamäe: Recht auf Leben und Unversehrtheit rechtfertigt deutsche Praxis

Nach EU-Recht müssen Abschiebehäftlinge "in speziellen Hafteinrichtungen" untergebracht werden. Wenn es daran fehlt, ist auch eine Unterbringungen in normalen Gefängnissen erlaubt. Gleichwohl sei das deutsche Recht mit seiner Ausnahme für gefährliche Abschiebehäftlinge vereinbar mit EU-Recht, argumentierte der Generalanwalt. Denn die EU-Grundrechtecharta schütze unter anderem eben auch das Recht auf Leben und Unversehrtheit. Den Einzelfall muss am Ende der Bundesgerichtshof entscheiden, der den EuGH um Hilfe bei der Auslegung europäischen Rechts gebeten hatte.

EuGH, Schlussanträge vom 27.02.2020 - C-18/19

Redaktion beck-aktuell, 27. Februar 2020 (dpa).

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