Streit um Aufenthaltsrecht des amerikanischen Ehegatten in Rumänien
Relu Adrian Coman, ein rumänischer Staatsangehöriger, und Robert Clabourn Hamilton, ein amerikanischer Staatsangehöriger, lebten in den USA vier Jahre zusammen, bevor sie 2010 in Brüssel heirateten. Im Dezember 2012 beantragten Coman und sein Ehemann bei den rumänischen Behörden die Ausstellung der notwendigen Unterlagen dafür, dass sich Coman mit seinem Ehegatten auf Dauer in Rumänien aufhalten und dort arbeiten konnte. Dieser Antrag war auf die Richtlinie über die Ausübung der Freizügigkeit gestützt (RL 2004/38/EG), die es dem Ehegatten eines Unionsbürgers, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, erlaubt, seinem Ehegatten in den Mitgliedstaat nachzuziehen, in dem dieser sich aufhält. Die rumänischen Behörden versagten Hamilton ein solches Aufenthaltsrecht insbesondere mit der Begründung, dass er in Rumänien nicht als Ehegatte eines Unionsbürgers eingestuft werden könne, weil Rumänien die gleichgeschlechtliche Ehe nicht anerkenne. Die beiden Eheleute klagten daraufhin vor den rumänischen Gerichten. Der Verfassungsgerichtshof Rumäniens legte die Sache dem EuGH vor. Er bittet um Klärung, ob Hamilton als Ehegatten eines Unionsbürgers, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, ein Daueraufenthaltsrecht in Rumänien zu gewähren ist.
Rechtsstreit betrifft Freizügigkeit der Unionsbürger
Generalanwalt Wathelet betont zunächst, dass das rechtliche Problem, das im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehe, nicht die Legalisierung der Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts, sondern die Freizügigkeit der Unionsbürger sei. Zwar stehe es den Mitgliedstaaten frei, in ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung für Personen desselben Geschlechts die Ehe vorzusehen oder nicht, doch müssten sie die Verpflichtungen beachten, denen sie aufgrund der Freizügigkeit der Unionsbürger unterliegen.
Beschränkung des Ehebegriffs auf Verbindungen zwischen Mann und Frau nicht mehr haltbar
Da die Richtlinie zur Bestimmung der Eigenschaft eines "Ehegatten" keinerlei Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten enthalte, müsse dieser Begriff in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten. Der Begriff "Ehegatte" im Sinn der Richtlinie knüpfe an eine Beziehung an, die auf der Ehe beruhe, sei aber hinsichtlich des Geschlechts der betreffenden Personen neutral und unabhängig vom Ort der Eheschließung. Im Licht der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Hinblick auf die Zulässigkeit der Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts im letzten Jahrzehnt, kann nach Auffassung des Generalanwalts an der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach "der Begriff Ehe nach in allen Mitgliedstaaten geltender Definition eine Lebensgemeinschaft zweier Personen verschiedenen Geschlechts bezeichnet" (vgl. NVwZ 2001, 1259), nicht mehr festgehalten werden. So sei die Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts gegenwärtig in 13 Mitgliedstaaten der Union erlaubt.
Auch Familienleben gleichgeschlechtlicher Gatten zu schützen
Zudem hänge der Begriff "Ehegatte" notwendig mit dem Familienleben zusammen, das in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in der Europäischen Menschenrechtskonvention in gleicher Weise geschützt sei. Der Generalanwalt weist hierzu darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) befunden habe, dass ein gleichgeschlechtliches Paar ein Familienleben haben könne (NJW 2011, 1421) und dass gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit einzuräumen sei, eine gesetzliche Anerkennung und die rechtliche Absicherung ihrer Partnerschaft zu erlangen (NJOZ 2017, 34). Der EGMR habe zudem befunden, dass im Bereich der Familienzusammenführung das Ziel des Schutzes der traditionellen Familie eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung nicht rechtfertigen könne.
Ehegattenbegriff umfasst auch Ehegatten gleichen Geschlechts
Vor diesem Hintergrund vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass der Begriff "Ehegatte" im Sinn der Richtlinie auch die Ehegatten desselben Geschlechts umfasst. Folglich könne sich eine solche Person auch dauerhaft im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufhalten, in dem sich sein Ehegatte als Unionsbürger niedergelassen habe, nachdem er von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht habe. Dieses Ergebnis gelte auch für den Herkunftsmitgliedstaat dieses Bürgers, wenn er dorthin zurückkehre, nachdem er sich dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten habe, in dem er ein Familienleben entwickelt oder gefestigt habe, wie es hier beim Ehepaar Coman/Hamilton der Fall sei.