Generalanwalt kritisiert BRAO-Vorgaben zu Beteiligung an Rechtsanwaltsgesellschaften

Darf eine österreichische Gesellschaft, die nicht zur Rechtsberatung zugelassen ist, einen Teil des Gesellschaftskapitals einer in Deutschland tätigen Rechtsanwaltsgesellschaft erwerben? Nach bis Ende Juli 2022 geltenden BRAO-Vorgaben lautet die Antwort nein. Ein EuGH-Generalanwalt sieht darin einen Verstoß gegen EU-Recht.

Die Halmer UG ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft, die in Deutschland in Form einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft betrieben wird. Ihr Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter war ursprünglich Herr Halmer. Ende März 2021 übertrug er 51% der Geschäftsanteile an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung österreichischen Rechts, die weder in Deutschland noch in Österreich zur Rechtsberatung zugelassen ist. Gleichzeitig wurde die Satzung der Halmer UG geändert, um die Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Gesellschaft, die Rechtsanwälten vorbehalten blieb, zu gewährleisten.

Die Rechtsanwaltskammer München erachtete die Übertragung der Anteile an die österreichische Gesellschaft für unzulässig und widerrief deswegen die der Halmer UG erteilte Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Sie stützte sich dabei auf die §§ 59a ff. BRAO in der bis zum 31. Juli 2022 geltenden Fassung. Danach durften nur Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Ärzte oder Apotheker am Gesellschaftskapital einer Rechtsanwaltsgesellschaft beteiligt sein. Die UG wollte das nicht gelten lassen und wandte sich an den BayAGH. Dieser legte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

BRAO-Regeln unschlüssig und daher nicht mit EU-Recht vereinbar

Der dortige Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona (Schlussanträge vom 04.07.2024 – C-295/23) bescheinigt den Mitgliedstaaten bei der Regelung des Rechtsanwaltsberufs, insbesondere in Bezug auf die Ausübung dieses Berufs in der Form von Kapitalgesellschaften, zunächst einen weiten Spielraum. Die Mitgliedstaaten könnten diese Gesellschaften bestimmten Beschränkungen unterwerfen.

Den in der BRAO vorgesehenen Beschränkungen fehle es aber an der Kohärenz, die unverzichtbar sei, um die Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie zu erfüllen. So schließe die BRAO Angehörige anderer als der ausdrücklich aufgeführten Berufe von der Stellung als Gesellschafter aus, selbst wenn sie die Kriterien erfüllen könnten, auf deren Grundlage die Beteiligung Angehöriger der aufgeführten Berufe gestattet wird.

Auch verlange die BRAO allgemein und ohne nähere Konkretisierung, dass Rechtsanwälte und Angehörige anderer Berufe, die sich als Gesellschafter beteiligen dürfen, in der Gesellschaft beruflich tätig sind.

Die Regeln ließen zudem zu, dass Personen, die keine Rechtsanwälte sind, einen Prozentsatz des Kapitals und der Stimmrechte halten, der ausreicht, um diesen Personen einen bedeutenden unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf die Bildung des Willens der Gesellschaft zu gewähren. Das könne die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte bei der Verteidigung ihrer Mandanten gefährden.

Insoweit hält Sánchez-Bordona die deutschen Regelungen nicht für mit der Dienstleistungsrichtlinie vereinbar.

EuGH, Schlussanträge vom 04.07.2024 - C-295/23

Redaktion beck-aktuell, bw, 4. Juli 2024.