vzbv: Amazon zu Bekanntgabe einer Telefonnummer verpflichtet
Amazon EU unterhält eine Plattform, auf der gängige Verbraucherprodukte und -dienstleistungen ausschließlich im Internet angeboten werden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) verklagte Amazon vor deutschen Gerichten mit dem Ziel feststellen zu lassen, dass Amazon gegen das geltende deutsche Recht verstoße. Dieses verpflichte in Durchführung der Verbraucherschutzrichtlinie (RL 2011/83/EU) Unternehmer, in klarer und verständlicher Weise außer der Anschrift die Telefonnummer und gegebenenfalls seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse zu nennen. Der vzbv wirft Amazon insbesondere vor, sie sei ihren Informationspflichten gegenüber den Verbrauchern nicht in klarer und verständlicher Weise nachgekommen, da sie es unterlasse, den Verbrauchern im Vorfeld des Online-Versandgeschäfts auf der Website eine Telefaxnummer zu nennen und dem Verbraucher unmittelbar eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen (die er erst nach einer Vielzahl von Schritten einsehen könne). Das System des automatischen Rückrufs und die Möglichkeit zum Internet-Chat, beides von Amazon angeboten, seien nicht ausreichend, um die gesetzlich vorgesehenen Pflichten zu erfüllen.
BGH ruft EuGH an: Angeführter Katalog von Kommunikationsmitteln abschließend?
Vor diesem Hintergrund möchte der in letzter Instanz mit dem Rechtsstreit befasste Bundesgerichtshof vom EuGH wissen, wie der Ausdruck "gegebenenfalls" in Bezug auf die zwischen Unternehmer und Verbraucher bei im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen verwendeten Kommunikationsmittel richtig auszulegen ist. Außerdem will er wissen, ob der insoweit angeführte Katalog von Kommunikationsmitteln (Telefon, Telefax, E-Mail) abschließend ist und schließlich, welchen Inhalt das vom Unternehmer zu beachtende Transparenzgebot hat (GRUR 2018, 100).
EuGH-Generalanwalt: Keine besondere Art der Kontaktaufnahme vorgeschrieben
Generalanwalt Pitruzzella weist darauf hin, dass es Ziel der Richtlinie sei, ein immer höheres Schutzniveau für den Verbraucher zu erreichen, zugleich jedoch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu gewährleisten. Daher seien die entsprechenden Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass das höchste Schutzniveau für den Verbraucher gewährleistet sei, ohne dabei jedoch in die Gestaltungsfreiheit des Unternehmers stärker einzugreifen, als es zur Erreichung des oben genannten Zwecks unbedingt erforderlich sei. So werde ein wirksamer Verbraucherschutz nicht dadurch erreicht, dass eine besondere Art der Kontaktaufnahme (zum Beispiel Benutzung des Telefons) festgelegt werde, sondern dadurch, dass sichergestellt werde, dass die Verbraucher über die wirksamsten Kommunikationswege in dem Medium verfügen könnten, über das das Verkaufsgeschäft getätigt werde. Hingegen bestünde, würde die Einrichtung einer besonderen, für die Zwecke eines wirksamen Verbraucherschutzes nicht erforderlichen Art von Kommunikation vorgeschrieben, die Gefahr, dass sie angesichts der Ziele des Verbraucherschutzes eine unverhältnismäßige Maßnahme wäre, die die betroffenen Unternehmen zum Schaden vor allem derjenigen, die keine "Internetgiganten" wie Amazon seien, unangemessen belasten könnte.
Lediglich schnelle Kontaktaufnahme und effiziente Kommunikation müssen gewährleistet sein
Nach Auffassung des Generalanwalts kommt es daher weniger auf das Kommunikationsmittel abstrakt betrachtet an als vielmehr darauf, dass im konkreten Fall gleichzeitig die Ziele der Richtlinie gewährleistet werden können, dass der Verbraucher mit dem Unternehmer schnell Kontakt aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann und dass die Informationen in klarer und verständlicher Weise erteilt werden.
Aufzählung der Kommunikationsmittel lediglich beispielhaft – Wahlfreiheit für Unternehmen und Verbraucher
Pitruzzella schlägt dem Gerichtshof daher vor festzustellen, dass für im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge die Aufzählung der Kommunikationsmittel (Telefon, Telefax, E-Mail) in der Richtlinie lediglich beispielhaft sei. Der Unternehmer könne daher frei wählen, welche Mittel er für den Kontakt mit dem Verbraucher zur Verfügung stelle, auch solche, die in der Richtlinie nicht ausdrücklich genannt seien, wie zum Beispiel Internet-Chat (eine Art technische Weiterentwicklung des Telefax) oder ein automatisches Rückrufsystem (als technologischer Fortschritt gegenüber dem Callcenter), sofern die oben genannten Ziele der Richtlinie umgesetzt würden. Zudem folge aus dem Ziel eines hohen Schutzniveaus für den Verbraucher und der Beispielhaftigkeit der Kommunikationsmittel die Notwendigkeit, dass der Unternehmer dem Verbraucher mehrere Kommunikationsmittel zur Verfügung stelle und damit dessen Wahlfreiheit gewährleiste.
Information über Kommunikationsmittel muss einfach, effizient und schnell zugänglich sein
Weiter weist der Generalanwalt darauf hin, dass die Klarheit und die Verständlichkeit der Information Aspekte des allgemeinen Transparenzgebots für Vertragsbedingungen seien. Dieses gelte selbstverständlich auch für die Art und Weise der Kontaktaufnahme und verlange vom Unternehmer, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher in der Lage sei, eindeutig zu verstehen, welche Arten der Kontaktaufnahme ihm zur Verfügung stünden, falls er mit dem Unternehmer kommunizieren müsse. Transparenz setze notwendig einen einfachen Zugang zur Information voraus. Unvereinbar mit der Zielsetzung der Richtlinie wäre es daher, wenn die Suche im Internet wegen ihrer Komplexität den Zugang zur Information erschweren würde. Pitruzzella schlägt dem EuGH daher vor festzustellen, dass aufgrund des Transparenzgebots die vom Unternehmer für den Verbraucher bereitgestellte Information über die Kommunikationsmittel einfach, effizient und verhältnismäßig schnell zugänglich sein müsse.
Vorhandener Telefonanschluss muss nicht für Kommunikation mit Verbrauchern eingesetzt werden
Was die Bedeutung des Ausdrucks "gegebenenfalls" in Bezug auf die drei Kommunikationswege zwischen Unternehmer und Kunden (Telefon, Telefax, E-Mail) angeht, schlägt der Generalanwalt dem EuGH vor, festzustellen, dass dieser Ausdruck zum einen den Unternehmer nicht dazu verpflichte, einen Telefon- oder Faxanschluss beziehungsweise ein E Mail-Konto neu einzurichten, wenn er sich entschließe, Fernabsatzverträge abzuschließen, und zum anderen "für den Verbraucher bereitgestellte Mittel" bedeute und nicht "im Unternehmen vorhandene". Nicht alles, was in einem bestimmten Zusammenhang existiere oder vorhanden sei, sei nämlich verfügbar oder stehe jedem zur Verfügung, der es benutzen wolle. Der Generalanwalt gelangt somit zu dem Ergebnis, dass auch dann, wenn das Unternehmen einen Telefonanschluss besitze, dieser nicht zwangsläufig für die Kommunikation mit dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen sei, sofern – wie erwähnt – die von der Richtlinie verfolgten Ziele gewährleistet seien.
Deutsche Regelung nicht richtlinienkonform
Der Generalanwalt weist schließlich auf das in dieser Richtlinie ausdrücklich festgelegte Verbot für die Mitgliedstaaten hin, im nationalen Recht von den Richtlinienbestimmungen abweichende Vorschriften zu erlassen. Insoweit schlägt er dem Gerichtshof vor festzustellen, dass die Richtlinie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der deutschen entgegenstehe, die dem Unternehmer eine in der Richtlinie nicht vorgesehene Verpflichtung wie die auferlege, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen.