Sachverhalt
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Algerier. Er reiste 2010 mit einem auf sechs Monate befristeten Besuchervisum in das Vereinigte Königreich ein und hielt sich nach Zeitablauf rechtswidrig im britischen Hoheitsgebiet auf. Anfang des Jahres 2014 heiratete er eine spanische Staatsangehörige, die bereits im Jahr 2009 eingebürgert worden war. Nach Eheschließung beantragte der Kläger eine Aufenthaltskarte als Familienangehöriger einer "Staatsangehörigen des EWR". Im Mai 2014 wurde er ausgewiesen, da er unter Umgehung der einwanderungsrechtlichen Kontrollen die im Vereinigten Königreich zulässige Aufenthaltsdauer überschritten habe. Zugleich wurde sein Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte abgelehnt. Seine Frau sei aufgrund des geltenden Rechts nicht mehr als "EWR-Staatsangehörige" zu betrachten, da sie die britische Staatsangehörigkeit erworben habe. Der mit der Klage befasste High Court hegte Zweifel, ob die britische Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist und ersuchte den Gerichtshof um Klärung.
Generalanwalt: Anforderungen an abgeleitetes Aufenthaltsrecht dürfen nicht zu streng sein
Der Generalanwalt hat darauf hingewiesen, dass vorliegend die Richtlinie über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, beachtet werden müsse. Er ist der Auffassung, dass die praktische Wirksamkeit der Rechte aus Art. 21 AEUV verlange, dass ein Unionsbürger das Familienleben fortsetzen könne, das er bislang mit seinem Ehegatten in dem Mitgliedstaat geführt habe, dessen Staatsangehörigkeit er erworben habe. Die Voraussetzungen zur Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts für einen Nicht-EU-Staatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers sei, dürften grundsätzlich nicht strenger sein als die Voraussetzungen, die in der Richtlinie vorgesehen seien.
Mitgliedstaaten müssen Aufenthaltsrechte von Familienangehörigen beachten
Zwar sei die Frau des Klägers keine "Berechtigte" im Sinne der Richtlinie mehr, was bedeute, dass ihr Ehegatte in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie mittlerweile besitze, jedenfalls nicht schon auf der Grundlage der Richtlinie über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügen könne. Die Mitgliedstaaten seien aber gemäß Art. 21 AEUV grundsätzlich verpflichtet, einem Unionsbürger, der nicht ihre Staatsangehörigkeit besitze, den Zuzug in ihr Hoheitsgebiet und den dortigen Aufenthalt mit seinem Ehegatten und möglicherweise bestimmten anderen Familienangehörigen, die keine Unionsbürger seien, zu erlauben.
Praktische Wirksamkeit des Unionsrechts erfordert entsprechende Anwendung
Um die praktische Wirksamkeit der genannten Vorschrift zu gewährleisten, sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Richtlinie entsprechend anzuwenden, wenn der Unionsbürger in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehre. Da die Ehefrau mit ihrer Entscheidung für die Einbürgerung im Aufnahmemitgliedstaat (Vereinigtes Königreich) ihren Willen zum Ausdruck gebracht habe, dort in derselben Weise zu leben, wie sie es in ihrem Herkunftsmitgliedstaat getan hätte, und zwar durch Knüpfung nachhaltiger und fester Bindungen zum Aufnahmemitgliedstaat, sei die Rechtsprechung des Gerichtshofs auf den vorliegenden Fall zu übertragen.