Kündigung wegen Kirchenaustritts: Besser nie drin als rausgehen

Die Kündigung einer Arbeitnehmerin durch eine katholische Organisation, weil sie aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, ist laut EuGH-Generalanwältin diskriminierend, wenn andere die gleiche Arbeit machen, ohne in der katholischen Kirche zu sein und wenn sie nicht offen dem Kirchen-Ethos zuwiderhandelt.

Eine Frau arbeitete bei der Katholischen Schwangerschaftsberatung. Die Organisation ist Teil der katholischen Kirche in Deutschland und berät unter anderem Schwangere, insbesondere in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche.

Die Beschäftigten des Verbandes müssen nicht katholisch sein, für sie gelten aber besondere Beschäftigungsbedingungen der katholischen Kirche. Zum Beispiel wird bei katholischen Arbeitnehmern der Austritt aus der katholischen Kirche als schwerwiegender Verstoß gegen die Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber erachtet und kann eine Kündigung nach sich ziehen. Der Kirchenaustritt gehört nach kanonischem Recht zu den schwersten Vergehen gegen den Glauben und die Einheit der Kirche.

2019 kündigte die Katholische Schwangerschaftsberatung einer ihrer Beraterinnen, weil sie aus der katholischen Kirche ausgetreten war und sich weigerte, wieder einzutreten. Zu dieser Zeit bestand das Beratungsteam für Schwangerschaftsabbrüche aus sechs Personen, von denen zwei evangelisch waren.

(Un)Zulässige Ungleichbehandlung?

Die Beraterin hat die Kündigung vor den unteren deutschen Arbeitsgerichten erfolgreich angefochten. Die Arbeitgeberin wandte sich daraufhin an das BAG. Das ist sich sicher, dass eine Ungleichbehandlung vorliegt, fragt sich aber, ob diese zulässig sein könnte und hat daher hat den EuGH um Auslegung der Richtlinie über Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) ersucht. Einige Vorschriften dieser Richtlinie lassen eine Ungleichbehandlung wegen der Religion bei Tätigkeiten für Kirchen und kichliche Organisationen zu.

Generalanwältin Medina ist aber der Auffassung, dass in einem Fall wie dem vorliegenden sich die Kündigung wegen des Kirchenaustritts nicht durch Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG rechtfertigen lässt (Schlussanträge vom 10.07.2025 – C-258/24). Die Vorschrift würde eine Kündigung erlauben, wenn die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen würde, um die Tätigkeit auszuüben und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

Es geht auch ohne Kirchenmitgliedschaft

Die Voraussetzungen dieser Bestimmung seien hier nicht erfüllt, so Medina weiter. Denn eine berufliche Anforderung, die in der kontinuierlichen Zugehörigkeit zu einer Kirche besteht, sei nicht als wesentlich im Sinne des Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG anzusehen, wenn der Arbeitgeber die Ausübung der Tätigkeit selbst nicht von der Religionszugehörigkeit abhängig macht und Personen mit anderen Religionszugehörigkeiten eben diese Tätigkeit ausüben lässt.

Auch lässt der Akt des Austritts für Medina für sich genommen nicht die Annahme zu, dass der Ausgetretene die Grundprinzipien und Werte der betreffenden Kirche nicht mehr befolgen und automatisch aufhören wird, die für ihn aufgrund des Arbeitsverhältnisses geltenden Pflichten zu erfüllen.

Die Generalanwältin betont, dass die Richtlinie einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Recht der Kirchen auf Autonomie und dem Recht der Arbeitnehmer, nicht wegen ihrer Religion diskriminiert zu werden, herstellen wolle. Das Recht von Kirchen auf Autonomie dürfe hier aber nicht so weit gehen, dass es der religiösen Organisation erlaubt wäre, der Arbeitnehmerin unter diesen besonderen Umständen zu kündigen. In den Augen Medinas liefe das darauf hinaus, anzuerkennen, dass über dieses Recht auf Autonomie die Einhaltung der in der Richtlinie genannten Kriterien der gerichtlichen Kontrolle entzogen würde. Eine derartige Auslegung liefe zudem der Religionsfreiheit des Einzelnen zuwider.

EuGH, Schlussanträge vom 10.07.2025 - C-258/24

Redaktion beck-aktuell, bw, 10. Juli 2025.

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