EuGH-Generalanwältin: Irland muss EU-Haftbefehle aus Vereinigtem Königreich weiter vollstrecken

Nach Ansicht der Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof Juliane Kokott sind die Bestimmungen des Austrittsabkommens und des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit, die die Fortgeltung der Regelung über den Europäischen Haftbefehl in Bezug auf das Vereinigte Königreich vorsehen, für Irland bindend. Irland müsse mithin EU-Haftbefehle aus dem Vereinigten Königreich weiter vollstrecken.

Inhaftierung in Irland auf Grundlage von EU-Haftbefehlen des Vereinigten Königreichs

Im Vereinigten Königreich wurden im Jahr 2020 gegen zwei Männer Europäische Haftbefehle ausgestellt, die in Irland zu ihrer Festnahme und Inhaftierung zwecks Übergabe führten. Die beiden Männer rügten beim irischen High Court ihre Inhaftierung und machten geltend, dass die Regelung des EU-Haftbefehls zwischen Irland und dem Vereinigten Königreich nicht mehr anwendbar sei. Der High Court erachtete die Inhaftierung für rechtmäßig, ließ aber Rechtsmittel unmittelbar beim irischen Supreme Court zu. Dieser rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an. Er wollte wissen, ob die im Austrittsabkommen und im Abkommen über Handel und Zusammenarbeit enthaltenen Vereinbarungen zur Regelung des EU-Haftbefehls für Irland bindend sind.

EuGH-Generalanwältin: Bestimmungen für Irland bindend

Nach Ansicht der Generalanwältin Juliane Kokott sind die Bestimmungen des Austrittsabkommens und des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit, die die Fortgeltung der Regelung über den Europäischen Haftbefehl in Bezug auf das Vereinigte Königreich vorsehen, für Irland bindend. Zwar seien für Irland EU-Maßnahmen bezüglich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nur dann bindend, wenn das Land ihnen ausdrücklich zustimmt (Opt-in). An einer solchen Zustimmung fehle es hier. Kokott ist aber der Auffassung, dass eine Zustimmung Irlands zu den Bestimmungen über den EU-Haftbefehl in den Abkommen nicht bedurft habe, da die Abkommen auf die Zuständigkeit bezüglich der Einzelheiten eines Austritts (Art. 50 Abs. 2 EUV) beziehungsweise auf die Zuständigkeit für den Abschluss eines Assoziierungsabkommens (Art. 217 AEUV) gestützt seien. Dass durch die Bestimmungen zum EU-Haftbefehl auch der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts berührt werde, ändere nichts. In Bezug auf das Handelsabkommen weist Kokott zudem darauf hin, dass für den Abschluss von Assoziierungsabkommen Einstimmigkeit im Rat erforderlich sei. Dies bedeute, dass Irland zugestimmt habe, an die im Abkommen für Handel und Zusammenarbeit festgelegte Übergaberegelung gebunden zu sein.

EuGH, Schlussanträge vom 09.11.2021 - C-479/21

Redaktion beck-aktuell, 9. November 2021.