Genehmigung der Telefonüberwachung muss nicht individualisiert begründet sein

Ein Strafgericht genügt seiner Begründungspflicht im Rahmen der Genehmigung von Telefonüberwachung, wenn es seine Entscheidung auf einen detaillierten und begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft stützt und sich die Gründe für die Genehmigung leicht und eindeutig erschließen, wenn Antrag und Genehmigung nebeneinander gelesen werden. Das hat der Europäische Gerichtshof zur Rechtslage in Bulgarien entschieden.

Telefonüberwachung ohne individualisierte Begründung genehmigt

Der Präsident des bulgarischen Spezialisierten Strafgerichts genehmigte 2017 die Überwachung der Telefone von vier Personen, die schwerer vorsätzlicher Straftaten verdächtigt wurden. Seiner Entscheidung legte er die detaillierten und begründeten Anträge der Staatsanwaltschaft zugrunde. Der geltenden nationalen Gerichtspraxis entsprechend verwendete er für die Genehmigung eine Textvorlage ohne individualisierte Begründung, die sich im Wesentlichen auf den Hinweis beschränkte, dass die Anforderungen der in ihr angeführten nationalen Regelung der Telefonüberwachung erfüllt sind. Gegen die vier Personen wurde sodann Anklage erhoben. Das Strafgericht legte dem EuGH die Frage vor, ob die Praxis zur Begründung der Genehmigung von Telefonüberwachung mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (RL 2002/58/EG) in Verbindung mit der EU-Grundrechte-Charta vereinbar ist.

Antrag bereits hinreichend begründet - weitere Begründung "gekünstelt"

Der EuGH geht davon aus, dass der nationale Richter durch die Unterzeichnung einer Textvorlage, in der es heißt, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind, die Begründung des bei ihm von der zuständigen Strafverfolgungsbehörde gestellten Antrags bestätigt und sich vergewissert hat, dass diese Anforderungen erfüllt sind. Insofern wäre es gekünstelt, zu verlangen, dass die richterliche Genehmigung eine (weitere) konkrete und detaillierte Begründung enthält.

Zugriff auf Genehmigungsantrag allerdings entscheidend

Nach der Grundrechte-Charta müssten allerdings sowohl die betroffene Person als auch der Richter des Hauptverfahrens in der Lage sein, die Gründe für die Genehmigung nachzuvollziehen. Ihnen müsse daher der Zugang zur gerichtlichen Genehmigungsentscheidung und zum Antrag der Behörde gewährt werden. Die genauen Gründe, aus denen die Genehmigung erteilt wurde, müssten beim Lesen von Genehmigung und Antrag nebeneinander leicht und eindeutig nachvollziehbar sein. Beschränke sich die Genehmigungsentscheidung darauf, die Gültigkeitsdauer der Genehmigung anzugeben und festzuhalten, dass die Rechtsvorschriften eingehalten würden, so müssten sich dem Antrag alle erforderlichen Informationen entnehmen lassen.

EuGH, Urteil vom 16.02.2023 - C‑349/21

Redaktion beck-aktuell, 16. Februar 2023.