Frankreich erhielt keine Fristverlängerung für Einhaltung der Grenzwerte
Frankreich hatte im März 2012 bei der Kommission eine Verlängerung der Frist für die Einhaltung der in der Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG festgelegten Grenzwerte für Stickstoffdioxid beantragt. Der Antrag betraf die Jahresgrenzwerte für 24 Gebiete im französischen Hoheitsgebiet und die 1-Stunden-Grenzwerte für drei dieser Gebiete. Die Kommission erhob Einwände gegen den Verlängerungsantrag, die von Frankreich nicht beanstandet wurden. Frankreich war daher verpflichtet, die pro Stunde oder pro Kalenderjahr berechneten Grenzwerte für Stickstoffdioxid ab dem 01.01.2010 einzuhalten.
Kommission erhob Vertragsverletzungsklage
Da die Jahresgrenzwerte für Stickstoffdioxid in zahlreichen Gebieten des französischen Hoheitsgebiets nach dem 01.01.2010 überschritten wurden, leitete die Kommission 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich ein. Sie kam im Juni 2015 zu dem Ergebnis, dass Frankreich die Grenzwerte für Stickstoffdioxid aus Art. 13 der Luftqualitätsrichtlinie nicht eingehalten habe und dass das Land gegen die Verpflichtung aus Art. 23 der Richtlinie verstoßen habe, dafür zu sorgen, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werde. Die Kommission forderte Frankreich daher auf, die zur Erfüllung der Verpflichtungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Da dies nicht geschah, erhob sie vor dem EuGH eine Vertragsverletzungsklage.
Frankreich bestritt systematische Überschreitung
Frankreich bestritt nicht, dass in den streitgegenständlichen Gebieten und Ballungsräumen die 1-Stunden-Grenzwerte und die Jahresgrenzwerte für Stickstoffdioxid anhaltend überschritten wurden. Das Land bestritt aber eine systematische Überschreitung dieser Grenzwerte.
EuGH: Grund der Grenzwertüberschreitung unbeachtlich
Der EuGH hat der Klage der Kommission stattgegeben und Frankreich wegen Verstoßes gegen die Verpflichtungen aus der Luftqualitätsrichtlinie verurteilt. Er betont in seiner Entscheidung zunächst, dass es für einen Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 13 ausreiche, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in der Luft überschritten werden. Sei objektiv ein Verstoß dagegen festgestellt worden, sei es unerheblich, ob die Vertragsverletzung auf Vorsatz, Fahrlässigkeit, technische oder – wie von Frankreich vorgebracht – strukturelle Schwierigkeiten zurückzuführen ist.
Bei Grenzwertüberschreitung Luftreinhalteplan mit Abhilfemaßnahmen aufzustellen
Der EuGH erläutert weiter, dass nach der Richtlinie ein Mitgliedstaat im Fall einer Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid nach Ablauf der Frist für ihre Erreichung einen Luftqualitätsplan erstellen müsse, der bestimmten Anforderungen genüge. Der Plan müsse geeignete Maßnahmen enthalten, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten wird, und könne zusätzlich gezielte Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen, einschließlich Maßnahmen zum Schutz von Kindern, vorsehen. Er sei der Kommission unverzüglich, spätestens jedoch zwei Jahre nach Ende des Jahres, in dem die erste Überschreitung festgestellt worden sei, zu übermitteln.
Abhilfemaßnahmen müssen Überschreitungszeitraum so kurz wie möglich halten
Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in der Luft überschreite, reiche für sich genommen nicht aus, um einen Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 23 der Richtlinie zu begründen. Nach der Richtlinie verfügten die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der zu erlassenden Maßnahmen zwar über einen gewissen Spielraum, doch müssten diese es jedenfalls ermöglichen, dass der Zeitraum, in dem die Grenzwerte nicht eingehalten werden, so kurz wie möglich gehalten werde.
Verstoß durch 7 Jahre währende systematische und anhaltende Überschreitung
Laut EuGH hat Frankreich aber offenkundig nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen getroffen, die gewährleisten könnten, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werde. Somit habe Frankreich die fraglichen Grenzwerte trotz seiner Verpflichtung, den Überschreitungszeitraum so kurz wie möglich zu halten, während sieben aufeinanderfolgender Jahre systematisch und anhaltend überschritten. Eine solche Situation belege für sich genommen, dass Frankreich keine geeigneten und wirksamen Maßnahmen umgesetzt habe, damit der Überschreitungszeitraum so kurz wie möglich gehalten werde.