Nachdem der erste Antrag des Mannes auf internationalen Schutz von den österreichischen Behörden abgewiesen worden war, stellte er in Österreich einen Folgeantrag und machte geltend, zwischenzeitlich zum Christentum konvertiert zu sein. Er müsse deshalb befürchten, in seinem Herkunftsland verfolgt zu werden.
Da ihm die Behörden glaubten, dass eine "innere Überzeugung" zu dem Religionswechsel geführt hatte und ebenfalls davon ausgingen, dass er bei einer Rückkehr in den Iran verfolgt würde, erkannten sie dem Iraner den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilten ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Sie verweigerten ihm jedoch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Bei einem Folgeantrag sei es nach österreichischem Recht erforderlich, dass der von dem Betroffenen selbst geschaffene neue Umstand - hier der christliche Glaube - Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung ist. Da der Mann erst in Österreich konvertiert ist, sei sein Antrag missbräuchlich.
Die Sache landete beim EuGH, der nunmehr klarstellte: Die nach dem österreichischen Recht aufgestellte Voraussetzung ist mit dem Unionsrecht unvereinbar (Urteil vom 29.02.2024 - C-222/22).
Religionswechsel aus "innerer Überzeugung" schließt Missbrauchsabsicht aus
Nach der sogenannten Qualifikationsrichtlinie über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen könne nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass jeder Folgeantrag, der auf Umständen beruht, die der Asylsuchende nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat, auf eine Missbrauchsabsicht zurückzuführen ist.
Vorliegend hätten die österreichischen Behörden selbst festgestellt, dass der Iraner "aus innerer Überzeugung" zum Christentum konvertiert ist und diese Religion aktiv lebt. Damit sei ausgeschlossen, dass der Mann eine Missbrauchsabsicht hegte oder beabsichtigte, das anwendbare Verfahren zu instrumentalisieren.
Die Luxemburger Richterinnen und Richter wiesen außerdem darauf hin, dass selbst bei Bejahung einer Missbrauchsabsicht die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bestehen bleibe, sofern eine Verfolgungsgefahr im Herkunftsland bestehe. Die Konvention verbietet nämlich die Ausweisung und Zurückweisung über die Grenzen von Gebieten, in denen das Leben oder die Freiheit der Person insbesondere wegen seiner Religion bedroht wäre.