Zwei staatenlose Palästinenserinnen, eine Mutter und ihre Tochter, flohen 2018 aus Gaza-Stadt und beantragten in Bulgarien internationalen Schutz. Ihr erster Antrag wurde abgelehnt, weil sie nicht belegt hätten, den Gazastreifen aus Angst vor Verfolgung verlassen zu haben. In einem zweiten Antrag beriefen sie sich auf ihre Registrierung beim Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Das Hilfswerk gewähre ihnen aber faktisch keinen Schutz mehr, sie hätten daher Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Dieser Antrag wurde abgelehnt, weil sie das UNRWA-Einsatzgebiet freiwillig verlassen hätten.
Nach der Qualifikationsrichtlinie sind Personen, die beim UNRWA registriert sind, grundsätzlich von der Anerkennung als Flüchtling in der EU ausgeschlossen. Wird jedoch der Schutz oder Beistand des UNRWA aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, muss diesen Personen ipso facto grundsätzlich der Flüchtlingsstatus zuerkannt werden. Der EuGH sollte auf Vorlage des mit der Sache befassten bulgarischen Gerichts klären, wann der Beistand oder Schutz des UNRWA als nicht länger gewährt anzusehen sei.
Laut EuGH ist der Schutz oder Beistand des Hilfswerks dann als nicht länger gewährt anzusehen, wenn es keinem Palästinenser im betreffenden Gebiet (hier: Gazastreifen) mehr menschenwürdige Lebensbedingungen und ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleisten könne (Urteil vom 13.06.2024 - C-563/22). Das müsse das bulgarische Gericht klären. Der EuGH betont aber, dass sich sowohl die Lebensbedingungen im Gazastreifen als auch die Fähigkeit des UNRWA, seine Aufgabe zu erfüllen, nach dem Hamas-Angriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 in noch nie dagewesener Weise verschlechtert haben.