EuGH: Fi­sche­rei­ab­kom­men EU-Ma­rok­ko ist gül­tig

Das Fi­sche­rei­ab­kom­men EU-Ma­rok­ko ist gül­tig, weil es auf die West­sa­ha­ra und die an­gren­zen­den Ge­wäs­ser keine An­wen­dung fin­det. Dies hat der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Union mit Ur­teil vom 27.02.2018 ent­schie­den (Az.: C-266/16).

West­sa­ha­ra grö­ß­ten­teils unter ma­rok­ka­ni­scher Kon­trol­le

Die West­sa­ha­ra ist ein Ge­biet im Nord­wes­ten Afri­kas, das im Nor­den an Ma­rok­ko, im Nord­os­ten an Al­ge­ri­en, im Osten und Süden an Mau­re­ta­ni­en und im Wes­ten an den At­lan­tik grenzt. Der grö­ß­te Teil die­ses Ge­biets wird der­zeit von Ma­rok­ko kon­trol­liert, das es als in­te­gra­len Be­stand­teil sei­nes Staats­ge­biets be­trach­tet, ein klei­ne­rer, im Osten ge­le­ge­ner Teil vom Front Po­li­sa­rio, einer Or­ga­ni­sa­ti­on, die die Un­ab­hän­gig­keit der West­sa­ha­ra an­strebt.

As­so­zia­ti­ons­ab­kom­men zwi­schen Ma­rok­ko und der EU

Die Eu­ro­päi­sche Union und Ma­rok­ko haben ein As­so­zia­ti­ons­ab­kom­men (1996), ein part­ner­schaft­li­ches Fi­sche­rei­ab­kom­men (2006) und ein Ab­kom­men über Li­be­ra­li­sie­rung des Han­dels mit land­wirt­schaft­li­chen Er­zeug­nis­sen, land­wirt­schaft­li­chen Ver­ar­bei­tungs­er­zeug­nis­sen, Fisch und Fi­sche­rei­er­zeug­nis­sen (2012) ge­schlos­sen. Das Fi­sche­rei­ab­kom­men wird er­gänzt durch ein Pro­to­koll zur Fest­le­gung der Fang­mög­lich­kei­ten, das im Juli 2018 aus­läuft.

EuGH ent­schei­det 2016: Be­stimm­te Han­dels­ab­kom­men gel­ten nicht für West­sa­ha­ra

Der Ge­richts­hof hat be­reits mit Ur­teil vom 21.12.2016 (BeckRS 2016, 109817) in einem Rechts­streit zwi­schen dem Front Po­li­sa­rio und dem Rat der Eu­ro­päi­schen Union und der Eu­ro­päi­schen Kom­mis­si­on im Rechts­mit­tel­ver­fah­ren ent­schie­den, dass die zwi­schen der EU und Ma­rok­ko über eine As­so­zia­ti­on be­zie­hungs­wei­se die Li­be­ra­li­sie­rung des Han­dels ge­schlos­se­nen Ab­kom­men nach dem Völ­ker­recht dahin aus­zu­le­gen sind, dass sie auf die West­sa­ha­ra keine An­wen­dung fin­den. Über das Fi­sche­rei­ab­kom­men, das nicht Ge­gen­stand des Rechts­streits war, wurde nicht ent­schie­den.

Non-Pro­fit-Or­ga­ni­sa­ti­on will An­wend­bar­keit des Fi­sche­rei­ab­kom­mens klä­ren

Die Wes­tern Sa­ha­ra Cam­paign UK ist eine un­ab­hän­gi­ge Non-Pro­fit-Or­ga­ni­sa­ti­on mit dem Ziel, die An­er­ken­nung des Rechts des Volks der West­sa­ha­ra auf Selbst­be­stim­mung zu för­dern. Sie mach­te vor dem High Court of Ju­sti­ce (Eng­land & Wales), Queen’s Bench Di­vi­si­on (Ad­mi­nis­tra­ti­ve Court) (Hoher Ge­richts­hof [Eng­land und Wales], Ab­tei­lung Queen’s Bench [Kam­mer für Ver­wal­tungs­streit­sa­chen], Ver­ei­nig­tes Kö­nig­reich) gel­tend, dass das Fi­sche­rei­ab­kom­men und die Rechts­ak­te, mit denen die­ses Ab­kom­men ge­neh­migt und durch­ge­führt wor­den sei, so­weit sie auf die an das Ge­biet der West­sa­ha­ra an­gren­zen­den Ge­wäs­ser an­wend­bar seien, un­gül­tig seien. Die Durch­füh­rung des Ab­kom­mens durch die bri­ti­schen Be­hör­den, ins­be­son­de­re die Er­tei­lung von Fang­li­zen­zen für die be­tref­fen­den Ge­wäs­ser, sei rechts­wid­rig.

High Court of Ju­sti­ce wen­det sich an EuGH

Der High Court of Ju­sti­ce hat das Ver­fah­ren aus­ge­setzt. Er möch­te wis­sen, ob das Fi­sche­rei­ab­kom­men uni­ons­recht­lich gül­tig ist. Es ist das erste Mal, dass Ge­gen­stand eines Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens un­mit­tel­bar die Gül­tig­keit in­ter­na­tio­na­ler Über­ein­künf­te der Union ist.

EuGH: Fi­sche­rei­ab­kom­men gilt nur für "Ge­biet Ma­rok­kos“

Der Ge­richts­hof stell­te zu­nächst fest, dass das Fi­sche­rei­ab­kom­men für das "Ge­biet Ma­rok­kos" gilt. Die­ser Be­griff sei dabei eben­so zu ver­ste­hen wie der Be­griff "Ge­biet des Kö­nig­reichs Ma­rok­ko" im As­so­zia­ti­ons­ab­kom­men. Mit Ver­weis auf ihr Ur­teil vom 21.12.2016 (BeckRS 2016, 109817) stell­ten die Lu­xem­bur­ger Rich­ter noch mal klar, dass damit der räum­li­che Be­reich ge­meint sei, in dem das Kö­nig­reich Ma­rok­ko sämt­li­che Be­fug­nis­se aus­übe, die sou­ve­rä­nen Ein­hei­ten nach dem Völ­ker­recht zu­ste­hen, nicht aber an­de­re Ge­bie­te wie etwa das Ge­biet der West­sa­ha­ra. Die Ein­be­zie­hung des Ge­biets der West­sa­ha­ra in den An­wen­dungs­be­reich des Fi­sche­rei­ab­kom­mens würde des­halb gegen ei­ni­ge Re­geln des all­ge­mei­nen Völ­ker­rechts ver­sto­ßen, die in den Be­zie­hun­gen zwi­schen der Union und dem Kö­nig­reich Ma­rok­ko an­wend­bar sind, ins­be­son­de­re gegen den Grund­satz der Selbst­be­stim­mung.

An West­sa­ha­ra an­gren­zen­de Ge­wäs­ser nicht in­be­grif­fen

So­dann wies der Ge­richts­hof dar­auf hin, dass das Fi­sche­rei­ab­kom­men für "die Ge­wäs­ser unter der Ho­heit oder der Ge­richts­bar­keit“ des Kö­nig­reichs Ma­rok­ko gelte. Nach dem See­rechts­über­ein­kom­men der Ver­ein­ten Na­tio­nen dürfe dem­nach der Küs­ten­staat seine Sou­ve­rä­ni­tät oder Ho­heits­be­fug­nis­se aber le­dig­lich über die an­gren­zen­den Ge­wäs­ser sei­nes Küs­ten­meers be­zie­hungs­wei­se sei­ner aus­schlie­ß­li­chen Wirt­schafts­zo­ne aus­üben. Da das Ge­biet der West­sa­ha­ra nicht zum Ge­biet des Kö­nig­reichs Ma­rok­ko ge­hö­re, seien die an es an­gren­zen­den Ge­wäs­ser nicht Teil der ma­rok­ka­ni­schen Fi­sche­rei­zo­ne im Sinne des Fi­sche­rei­ab­kom­mens, so der EuGH. Er un­ter­such­te schlie­ß­lich den räum­li­chen An­wen­dungs­be­reich des Pro­to­kolls zum Fi­sche­rei­ab­kom­men. Die­ses ent­hal­te zwar keine spe­zi­el­len Be­stim­mun­gen hier­zu. Je­doch werde in ver­schie­de­nen Be­stim­mun­gen des Pro­to­kolls der Aus­druck "ma­rok­ka­ni­sche Fi­sche­rei­zo­ne“ ver­wen­det. Die­ser Aus­druck stim­me mit dem im Fi­sche­rei­ab­kom­men ver­wen­de­ten Aus­druck über­ein, mit dem nach dem Ab­kom­men die "Ge­wäs­ser unter der Ho­heit oder der Ge­richts­bar­keit Ma­rok­kos“ ge­meint sind, so der EuGH. Folg­lich fie­len die an das Ge­biet der West­sa­ha­ra an­gren­zen­den Ge­wäs­ser nicht unter den Be­griff "ma­rok­ka­ni­sche Fi­sche­rei­zo­ne" im Sinne des Pro­to­kolls.

EuGH, Urteil vom 27.02.2018 - C-266/16

Redaktion beck-aktuell, 28. Februar 2018.

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