Finanzamt kann alleine keine Europäische Ermittlungsanordnung erlassen

Die deutsche Steuerfahndung kann nicht ohne Weiteres auf ein Bankkonto in Österreich zugreifen. Für die Einstufung als Europäische Ermittlungsanordnung bedarf ihr Erlass noch einer Validierung durch eine deutsche Justizbehörde. Das Finanzamt ist laut Europäischem Gerichtshof keine Justizbehörde im unionsrechtlichen Sinne, sondern nur eine einfache Anordnungsbehörde.

Bordellumsätze nicht versteuert?

Die Düsseldorfer Steuerfahndung ermittelte gegen eine Geschäftsführerin einer GmbH, die verdächtigt wurde, zwischen 2015 und 2020 Umsätze aus einem Bordellbetrieb nicht versteuert zu haben. Sie vermute einen Schaden in Höhe von 1,6 Millionen Euro. Die Finanzbehörde forderte deshalb die Staatsanwaltschaft Graz auf, bei einer Bank in Österreich Daten zu zwei Bankkonten der Beschuldigten zu erheben. Das Finanzamt gab in der Ermittlungsanordnung an, als Justizbehörde zu handeln. Das Landesgericht für Strafsachen Graz bewilligte die Vollstreckung. Gegen diesen Beschluss erhob die Geschäftsführerin Beschwerde zum Oberlandesgericht Graz, das dem EuGH die Frage vorlegte, ob ein Finanzamt wie eine Justizbehörde berechtigt sei, eine Europäische Ermittlungsanordnung zu treffen.

Anordnungsbehörde ist nicht gleich Anordnungsbehörde

Der EuGH unterscheidet zwischen einer Anordnungsbehörde nach Art. 2c i (Richter, Staatsanwaltschaft oder Gericht) und der Anordnungsbehörde nach Art. 2c ii (alle anderen Behörden) der RL 2014/41/EU. Das Finanzamt, das zur zweiten Kategorie gehöre, könne zwar eine Europäische Ermittlungsanordnung nach Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 der RL treffen, müsse sie sich aber erst noch durch eine Justizbehörde, das heißt einen Richter, ein Gericht oder einen Staatsanwalt im Anordnungsstaat validieren lassen.

Einfaches und klares Europarecht

Der EuGH ordnet alle Stellen, die nicht Richter, Staatsanwalt oder Gericht sind, automatisch der zweiten Kategorie der Anordnungsbehörde zu. Mit dem Erfordernis, Ermittlungsanordnungen anderer Stellen wie hier des Finanzamts zunächst noch durch eine Justizbehörde validieren zu lassen, schaffe die Richtlinie Klarheit. Die Zwitterstellung des Finanzamts, das an sich zur Exekutive des Staats gehöre, andererseits aber im Rahmen der Steuerfahndung auch Befugnisse einer Staatsanwaltschaft wahrnehme, sei international nicht eindeutig identifizierbar. Die Luxemburger Richter befürchten Rechtsunsicherheiten und ein "Verschwimmen" der Unterscheidung zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden, wenn eine Steuerbehörde Ermittlungsanordnungen selbstständig erlassen könnte.

EuGH, Urteil vom 02.03.2023 - C‑16/22

Redaktion beck-aktuell, 3. März 2023.

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