Falscher Gesundheitstipp in Zeitung löst keine Produkthaftung aus
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Ein falscher Gesundheitsrat in einem Zeitungsartikel löst keine Haftung nach der Produkthaftungsrichtlinie aus, wenn seine Befolgung zu Gesundheitsschäden führt. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Der Artikel sei kein fehlerhaftes Produkt im Sinn der Richtlinie. Im Ausgangsfall hatte eine Leserin der österreichischen "Kronen-Zeitung" den Tipp eines "Kräuterpfarrers" befolgt und toxische Hautreaktionen erlitten.

"Kräuterpfarrer" gab falschen Gesundheitstipp in Zeitungskolumne

In einer Regionalausgabe der österreichischen "Kronen-Zeitung" gab "Kräuterpfarrer Benedikt" in seiner Ratgeber-Kolumne die Empfehlung, zur Linderung von Rheumaschmerzen eine Auflage aus geriebenem Kren anzuwenden. Allerdings wurde die Dauer der Auflage in dem Artikel fälschlich mit zwei bis fünf Stunden angegeben. Stattdessen hätte es vielmehr zwei bis fünf Minuten heißen müssen. Eine Leserin folgte dem Rat, brachte Kren an ihrem Fußgelenk auf und beließ die Auflage dort für etwa drei Stunden. Sie entfernte sie erst, als es aufgrund einer toxischen Hautreaktion bereits zu starken Schmerzen gekommen war. Sie verklagte daraufhin den Krone-Verlag auf Schadensersatz in Höhe von 4.400 Euro. In erster und zweiter Instanz blieb sie ohne Erfolg. Die Revisionsinstanz, der österreichische Oberste Gerichtshof rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung der Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG an.

EuGH: Zeitungsartikel mit falschem Gesundheitsrat kein fehlerhaftes Produkt

Laut EuGH löst ein Zeitungsartikel mit einem falschen Gesundheitstipp mangels eines fehlerhaften Produktes keine verschuldensunabhängige Haftung nach der Produkthaftungsrichtlinie aus. Der EuGH unterscheidet zunächst zwischen Produkten und Dienstleistungen, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fielen. Der Gesundheitstipp, der an sich eine Dienstleistung sei, führe aufgrund seiner Unrichtigkeit auch nicht dazu, dass die Zeitung selbst fehlerhaft sei. Ein Produktfehler werde anhand bestimmter Faktoren  ermittelt, die dem Produkt selbst innewohnen und insbesondere mit seiner Darbietung, seinem Gebrauch und dem Zeitpunkt seines Inverkehrbringens zusammenhängen. Hier gehöre der falsche Gesundheitstipp nicht zu den der gedruckten Zeitung innewohnenden Faktoren. Er beziehe sich nicht auf die gedruckte Zeitung. Insbesondere betreffe er weder Darbietung noch Gebrauch dieser gedruckten Zeitung.

Unterschiedliche Haftungsregelungen für Produkte und Dienstleistungen

Im Übrigen verweist der EuGH auf den Willen des Unionsgesetzgebers. Dieser komme darin zum Ausdruck, dass die Produkthaftungsrichtlinie keine Bestimmungen enthält, wonach für Schäden, die durch eine Dienstleistung verursacht worden seien, in Bezug auf die das Produkt nur den körperlichen Träger bilde, die Haftung für fehlerhafte Produkte eingreifen könnte. Der EuGH hebt außerdem hervor, dass die Haftung von Dienstleistern und die Haftung der Hersteller von Endprodukten Gegenstand zweier unterschiedlicher Haftungsregelungen seien. Denn die Tätigkeit von Dienstleistern werde nicht derjenigen von Herstellern, Importeuren und Lieferanten gleichgesetzt. Er erinnert daran, dass das System der Haftung des Dienstleisters im Hinblick auf die Besonderheiten der Dienstleistungen Gegenstand einer gesonderten Regelung sein sollte. Der EuGH schließt aber nicht aus, dass im vorliegenden Fall andere Regelungen der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung greifen könnten.

EuGH, Urteil vom 10.06.2021 - C-65/20

Redaktion beck-aktuell, 10. Juni 2021.