Lufthansa-Flugkapitän wird nach Erreichen der Altersgrenze nicht weiterbeschäftigt
Der Kläger des Ausgangsverfahrens war bei der Lufthansa als Flugkapitän und Ausbilder beschäftigt. Nachdem er die Altersgrenze von 65 Jahren, die das EU-Recht für Piloten im gewerblichen Luftverkehr zwingend vorschreibt, im Oktober 2013 erreicht hatte, beschäftigte ihn die Lufthansa ab November 2013 nicht mehr. Ende Dezember 2013 endete sein Arbeitsvertrag. Im November und Dezember 2013 verfügte er weiterhin über seine Lizenz zum Führen von Verkehrsflugzeugen sowie seine Berechtigungen als Ausbilder und Prüfer.
BAG: Altersgrenze mit Diskriminierungsverbot wegen des Alters vereinbar?
Der Ausgangskläger fordert von der Lufthansa die Zahlung seiner Vergütung für die Monate November und Dezember 2013. Nach seiner Ansicht verstößt die fragliche Altersgrenze gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (Art. 21 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta) und gegen seine Berufsfreiheit (Art. 15 der EU-Grundrechtecharta). Das Bundesarbeitsgericht (BeckRS 2016, 68730) rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und befragte ihn zur Gültigkeit und Tragweite der streitigen Altersgrenze.
EuGH: Altersgrenze von 65 Jahren ist gültig
Der EuGH hat die Gültigkeit der Altersgrenze bestätigt. Zwar begründe die streitige Altersgrenze eine Ungleichbehandlung wegen des Alters. Diese Ungleichbehandlung sei jedoch gerechtfertigt, um die Sicherheit der Zivilluftfahrt in Europa zu gewährleisten. Denn es sei nicht zu bestreiten, dass die für den Beruf des Verkehrspiloten erforderlichen körperlichen Fähigkeiten mit zunehmendem Alter abnehmen. Mit der fraglichen Altersgrenze könne ausgeschlossen werden, dass ein Abnehmen dieser körperlichen Fähigkeiten nach dem 65. Lebensjahr zur Unfallursache wird, ohne dass jedoch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde.
Altersgrenze auf gewerblichen Luftverkehr beschränkt
Laut EuGH spricht für die Verhältnismäßigkeit, dass die Altersgrenze nur auf den gewerblichen Luftverkehr Anwendung finde, der durch eine größere technische Komplexität der Luftfahrzeuge und eine höhere Anzahl betroffener Personen als im nichtgewerblichen Luftverkehr gekennzeichnet sei. Zudem könne die Altersgrenze von 65 Jahren als hinreichend weit fortgeschritten betrachtet werden, um als Endpunkt der Zulassung als Pilot in der gewerblichen Luftfahrt zu dienen. Sie spiegle im Übrigen völkerrechtliche Vorschriften wider, die auf einer intensiven Fachdiskussion und auf Sachverstand gegründet seien und dieselbe Altersgrenze festlegten.
EU-Gesetzgeber muss keine individuelle Prüfung körperlicher und psychischer Fähigkeiten vorsehen
Weiter weist der EuGH darauf hin, dass der EU-Gesetzgeber aufgrund des ihm zur Verfügung stehenden Wertungsspielraums nicht dazu verpflichtet sei, statt einer Altersgrenze eine individuelle Prüfung der körperlichen und psychischen Fähigkeiten jedes Inhabers einer Pilotenlizenz vorzusehen, der älter als 65 Jahre sei. Schließlich sei die Altersgrenze auch mit der Berufsfreiheit vereinbar.
Leer- oder Überführungsflüge auch nach Erreichen der Altersgrenze erlaubt
Der EuGH streicht zudem heraus, dass der Inhaber einer Pilotenlizenz, der die Altersgrenze erreicht habe, weiterhin als Pilot Leer- oder Überführungsflüge im Gewerbebetrieb eines Luftverkehrsunternehmens durchführen dürfe, bei denen weder Fluggäste, noch Fracht oder Post befördert würden. Außerdem dürfe er weiterhin als Ausbilder und/oder Prüfer an Bord eines Flugzeugs tätig sein, sofern er kein Mitglied der Flugbesatzung sei.