Streit um (partiellen) Zugang zu Gesundheitsberufen
Mehrere Berufsorganisationen des Gesundheitssektors führen in Frankreich einen Rechtsstreit über Rechtsakte, die bestimmte Aspekte des teilweisen Zugangs zu den Gesundheitsberufen betreffen. Dabei geht es um die Möglichkeit eines partiellen Zugangs zu sämtlichen Gesundheitsberufen einschließlich der Berufe, für die der Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen gilt. Der französische Staatsrat hat den EuGH angerufen. Er fragt, ob die Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (RL 2005/36/EG) es ausschließt, dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeit eines partiellen Zugangs zu einem der Berufe schafft, für die der in dieser Richtlinie vorgesehene Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen gilt.
EuGH unterscheidet zwischen Berufen und Berufsangehörigen
Die Richtlinie sehe für die Berufe des Arztes, der Krankenschwester und des Krankenpflegers, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, des Zahnarztes, des Tierarztes, der Hebamme und des Apothekers im Zuge der Koordinierung der Mindestanforderungen an die Ausbildung ein System der automatischen Anerkennung von Ausbildungsnachweisen vor, stellt der EuGH zunächst heraus. Allerdings seien von dem in der Richtlinie vorgesehenen partiellen Zugang die in den Genuss der automatischen Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen kommenden Berufsangehörigen ausgeschlossen und nicht die von einer solchen automatischen Anerkennung betroffenen Berufe. Der Unionsgesetzgeber habe also zwischen der Verwendung der Begriffe "Berufe" und "Berufsangehörige" unterscheiden wollen.
Verweis auf freien Personen- und Dienstleistungsverkehr
Wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen, kann ein Mitgliedstaat den partiellen Zugang insbesondere bei den genannten Gesundheitsberufen, die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit oder die Patientensicherheit haben, verweigern. Die Möglichkeit, den partiellen Zugang zu diesen Berufen zu verweigern, setze voraus, dass der partielle Zugang zu ihnen nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Ein solcher partieller Zugang entspricht nach Ansicht des EuGH zum einen der allgemeinen Zielsetzung, Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beseitigen, und zum anderen dem spezifischeren Ziel, dem Berufsangehörigen auf Antrag einen partiellen Zugang zu gewähren, wenn die betreffenden Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat Teil eines Berufs mit einem breiteren Spektrum von Tätigkeiten sind als im Herkunftsmitgliedstaat und die Unterschiede zwischen den Tätigkeitsfeldern so groß sind, dass der Berufsangehörige ein vollständiges Ausbildungsprogramm absolvieren müsste, um seine Lücken zu schließen.
Möglichkeit partiellen Zugangs beseitigt Mobilitätshindernisse
Ohne die Möglichkeit eines partiellen Zugangs zu den genannten Gesundheitsberufen würden viele Angehörige von Gesundheitsberufen, die in einem Mitgliedstaat im Rahmen eines dieser Berufe zur Ausübung bestimmter, im Aufnahmemitgliedstaat keinem bestehenden Beruf entsprechender Tätigkeiten qualifiziert sind, weiterhin mit Mobilitätshindernissen konfrontiert. Die Richtlinie impliziere folglich, dass Berufsangehörige, die in den Genuss der automatischen Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen kommen, Zugang zu allen Tätigkeiten haben, die im Aufnahmemitgliedstaat von dem entsprechenden Beruf erfasst werden, und dass sie daher nicht vom partiellen Zugang betroffen sind. Sie impliziert dagegen nicht, dass die Berufe nicht vom partiellen Zugang betroffen sind. Der Gerichtshof zieht daraus den Schluss, dass die Richtlinie Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die einen partiellen Zugang zu einem der Berufe gestatten, die unter den von ihr vorgesehenen Mechanismus der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen fallen.