EU-Haftbefehl: Doppelbestrafung nur bei identischem Sachverhalt verboten

Ein Spanier, der in Spanien und in Portugal ein betrügerisches Schneeballsystem betrieben hat und deswegen in Spanien bereits in Haft sitzt, wurde auch in Portugal wegen schweren Betrugs verurteilt. Der EuGH hält seine Auslieferung an Portugal zur Vollstreckung dieser Haftstrafe für möglich.

Das Verbot der Doppelbestrafung scheine nicht entgegenzustehen, so der Europäische Gerichtshof.

Der Spanier war Vorstandsvorsitzender einer portugiesischen und einer spanischen Gesellschaft, die beide Anlageprodukte betrieben, hinter dem sich ein betrügerisches Schneeballsystem verbarg. Die Anleger verloren sehr viel Geld. In Spanien wurde der Verantwortliche wegen schweren Betrugs und Geldwäsche zu einer Haftstrafe von elf Jahren und zehn Monaten verurteilt, die er bereits absitzt. Das portugiesische Urteil lautete auf sechs Jahre und sechs Monate. Um diese Strafe vollstrecken zu können, wurde in Portugal gegen den Spanier ein Europäischer Haftbefehl erlassen.

Gegen die Vollstreckung des portugiesischen Urteils und des Haftbefehls wendet der Spanier den Grundsatz ne bis in idem ein. Hiernach darf niemand wegen derselben Straftat zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Der spanische Nationale Gerichtshof bat den EuGH um Vorabentscheidung.

"Ne bis in idem" nur bei identischem Sachverhalt

Nach Ansicht des EuGH steht das Verbot der Doppelbestrafung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nicht entgegen. Der Grundsatz ne bis in idem sei nur dann anwendbar, wenn Sachverhalt, dessentwegen der Betroffene in einem Mitgliedstaat eine Strafe verbüßt, mit dem Sachverhalt identisch ist, der dem EU-Haftbefehl zugrunde liegt.

Dies scheine hier nicht der Fall zu sein, so der EuGH. Der Mann habe seine in Spanien ausgeübte betrügerische Tätigkeit in Portugal wiederholt. Zwar sei der Modus Operandi identisch. Die Tätigkeiten habe der Spanier aber mittels verschiedener juristischer Personen durchgeführt. Außerdem habe er seine betrügerische Tätigkeit in Portugal fortgesetzt, nachdem in Spanien ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und die Tätigkeit dort eingestellt worden war.

Auch beziehe sich das spanische Urteil nach Angaben des Nationalen Gerichtshofs auf die betrügerische Tätigkeit, die in Spanien zum Nachteil dort ansässiger Personen ausgeübt worden sei, während sich das portugiesische Urteil auf diejenige beziehe, die in Portugal zum Nachteil von dort ansässigen Personen ausgeübt worden sei.

Anhand dieser Auslegungshinweise des EuGH muss nun der spanische Nationale Gerichtshof entscheiden, ob er die Taten für identisch hält.

EuGH, Urteil vom 21.09.2023 - C-164/22

Redaktion beck-aktuell, bw, 21. September 2023.