Gasversorger monieren unzulässige Erweiterung der Definition "geschützte Kunden"
Die Unternehmen Eni und Eni Gas & Power France sowie der Verband Uprigaz haben beim französischen Staatsrat (Conseil d’État) die Aufhebung eines französischen Dekrets beantragt, das ihrer Ansicht nach gegen die europäische Verordnung (EU) Nr. 994/2010 über die sichere Erdgasversorgung verstößt. Sie sind der Auffassung, dass das Dekret die in der Verordnung enthaltene Definition der "geschützten Kunden" (an ein Erdgasverteilernetz angeschlossene Haushaltskunden und – nach Wahl der Mitgliedstaaten – kleine und mittlere Unternehmen) unzulässig erweitere: Nach dem Dekret schließe diese Definition auch an das Vertriebsnetz angeschlossene Nicht-Haushaltskunden ein, die einer etwaigen Lieferunterbrechung nicht vertraglich zugestimmt hätten und die auch nicht notwendig kleine oder mittlere Unternehmen seien. Die Definition der geschützten Kunden sei insofern von Bedeutung, als mit ihr den Gaslieferanten verschiedene Verpflichtungen auferlegt würden, um im Krisenfall die Sicherheit der Erdgasversorgung für die verletzlichsten Kunden zu gewährleisten.
Außerdem Pflicht zu Vorhaltung ausreichender Erdgasvorräte im Inland beanstandet
Ferner rügen die Klägerinnen, dass nach dem Dekret zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Gasversorgung der Kunden von den Lieferanten verlangt werde, ausreichende Erdgasvorräte in Frankreich selbst vorzuhalten. Das bedeute, dass 80% der Speichermenge im Inland vorgehalten werden müsse. Der Staatsrat rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und bat ihn zu klären, ob die fraglichen Bestimmungen des Dekrets mit der Verordnung vereinbar sind.
EuGH: Erweiterung des geschützten Kundenkreises unter bestimmten Voraussetzungen zulässig
Laut EuGH dürfen die Mitgliedstaaten für Erdgasunternehmen eine zusätzliche Gasspeicherpflicht auch für Kunden vorsehen, die nicht unter die Definition der "geschützten Kunden" nach der Verordnung fallen. Dies folge daraus, dass die Verordnung es den Mitgliedstaaten erlaubt, Erdgasunternehmen aus Gründen der Sicherheit der Gasversorgung bestimmte "zusätzliche Verpflichtungen" aufzuerlegen. Der EuGH weist aber darauf hin, dass eine solche zusätzliche Verpflichtung unter dem Vorbehalt mehrerer in der Verordnung vorgesehener Voraussetzungen steht. So müsse insbesondere auf einer Risikobewertung basieren, dürfe nicht zu unzulässigen Wettbewerbsverzerrungen oder Beeinträchtigungen des Binnenmarkts führen und sich nicht nachteilig auf die Fähigkeit eines anderen Mitgliedstaats auswirken, seine eigenen geschützten Kunden in einem nationalen, unionsweiten oder regionalen Notfall zu versorgen. Die Prüfung der Frage, ob das Dekret diese Voraussetzungen einhalte, obliegt laut EuGH dem Staatsrat.
Pflicht zu ausschließlicher Gasbevorratung im Inland unzulässig
Nicht mit der Verordnung vereinbar sei es, Gaslieferanten zu verpflichten, ausreichende Erdgasvorräte zwingend und ausschließlich im Inland vorzuhalten, so der EuGH weiter. Denn die Verordnung verbiete es den zuständigen Behörden, allein die im Inland vorhandene Infrastruktur von Erdgasunternehmen zu berücksichtigen. Im Ausgangsfall dürften die französischen Behörden nach dem fraglichen Dekret im Zusammenhang mit der darin vorgesehenen Pflicht zur Gasbevorratung innerhalb Frankreichs aber auch "andere Anpassungsinstrumente" berücksichtigen, über die die Erdgasunternehmen verfügten. Daher müsse der Staatsrat prüfen, ob diese im Dekret vorgesehene Befugnis der französischen Behörden tatsächlich sicherstellt, dass die Gaslieferanten ihre Verpflichtungen auf regionaler oder auf EU-Ebene erfüllen können. Sollte dies zutreffen, dürfte die Speicherpflicht im Inland mit der Verordnung vereinbar sein.