O2 hätte Roaming-Gebühren für alle Kunden automatisch abschaffen müssen

Seit 2017 gilt in der EU: "Roam like at home": Bei Handy-Nutzung im EU-Ausland dürfen keine Zusatzgebühren erhoben werden. Nun stellte der Europäische Gerichtshof klar, dass O2 als Telefonanbieter damals verpflichtet gewesen wäre, alle Kunden automatisch auf einen neuen Tarif ohne Roaming-Gebühren umzustellen.O2 dagegen hatte die Umstellung in manchen Tarifen erst auf Antrag per SMS vorgenommen.

EU schaffte Roaming-Gebühren ab

Die EU hatte die Roaming-Gebühren zum 15.06.2017 abgeschafft: Handy-Anrufe und Datennutzung im EU-Ausland dürfen demnach nicht mehr kosten als im eigenen EU-Land. O2, die in Deutschland vertretene Marke der spanischen Telefónica, hatte nach Darstellung des EuGH aber nur Kunden automatisch umgestellt, die zuvor schon einen regulierten Roamingtarif hatten. Andere Kunden waren aufgefordert, die Umstellung per SMS zu beantragen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hält dies für unzulässig und zog vor das Landgericht München I.

LG München I fragt den EuGH

Die Münchner Richter schalteten den EuGH ein, und der stellte nun klar, dass "die Roaminganbieter ab dem 15. Juni 2017 verpflichtet waren, den unter anderem in Artikel 6a dieser Verordnung vorgesehenen regulierten Roamingtarif automatisch auf alle ihre Kunden anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob die Kunden zuvor einen regulierten Roamingtarif oder einen anderen Tarif gewählt hatten (...)". Telefónica-Germany-Sprecher Guido Heitmann sagte, 90% der Kunden seien damals automatisch umgestellt worden. Nach seinen Angaben hat sein Unternehmen 42 Millionen Kundenverträge - mehrere Millionen Kunden hätten sich also damals aktiv um die Umstellung bemühen müssen. Noch immer seien nicht alle Verträge geändert, bestätigte Heitmann der Deutschen Presse-Agentur.

O2 will Urteil des LG abwarten

"Wir hatten seinerzeit unseren Kunden mit alternativen Roamingtarifen die Entscheidung zum Wechsel in den neuen EU-Roamingtarif überlassen, weil ein solcher Wechsel nicht immer vorteilhaft für den Kunden ist", erklärte Heitmann schriftlich. Die EuGH-Entscheidung sei jetzt nur ein Zwischenschritt im Verfahren. Erst ein Urteil des Münchner Landgerichts werde "Orientierung in dem Sachverhalt" geben. Unabhängig davon könnten Kunden jederzeit kostenfrei binnen eines Tages in den regulierten EU-Roaming-Tarif wechseln.

Verbraucherschützer erwarten Erstattungen an Kunden

Der Verbraucherzentrale Bundesverband erklärte indes zu dem Grundsatzurteil aus Luxemburg: "Mit der heutigen Entscheidung fühlen wir uns in unserer Rechtsansicht gestärkt. Wir erwarten von Telefónica bereits jetzt eine unverzügliche und unbürokratische Erstattung zu viel gezahlter Telefonkosten."

EuGH, Urteil vom 03.09.2020 - C-539/19

Redaktion beck-aktuell, 3. September 2020 (dpa).