EuGH: Direktvergabe von ÖPVN-Aufträgen ohne Konzessionscharakter für Busverkehr unterliegt allgemeinem Vergaberecht

Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 findet auf die Direktvergabe von Aufträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht als Dienstleistungskonzessionen gestaltet sind, keine Anwendung. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 21.03.2019 entschieden. Die Zulässigkeit einer solchen Direktvergabe sei vielmehr anhand der allgemeinen Vergaberichtlinien unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zu beurteilen (Az.: C-266/17, C-267/17, BeckRS 2019, 3876). In den Ausgangsverfahren geht es um Klagen gegen zwei Landkreise, die entsprechende ÖPVN-Aufträge direkt an "interne Betreiber" vergeben wollen.

C-266/17: Klage gegen Rhein-Sieg-Kreis wegen Direktvergabe an internen Betreiber

Der Rhein-Sieg-Kreis, der dem Zweckverband Verkehrsverbund Rhein-Sieg angehört, veröffentlichte am 30.09.2015 im EU-Amtsblatt eine Vorabinformation über die geplante Direktvergabe eines Auftrags über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, der nicht die Form einer Dienstleistungskonzession im Sinne der allgemeinen Vergaberichtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (inzwischen abgelöst durch die Vergaberichtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU) annehmen sollte. Dieser Auftrag, der die jährliche Durchführung von mehreren Millionen Kilometern betraf, sollte gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße, einer Regelung, die die Voraussetzungen für Direktvergaben näher regelt, an die Regionalverkehr Köln GmbH als internen Betreiber für eine Dauer von 120 Monaten ab dem 12.12.2016 vergeben werden. Die Regionalverkehr Köln GmbH ist ein öffentliches Verkehrsunternehmen, das unmittelbar oder mittelbar von Aufgabenträgern im Bereich des Personenverkehrs, zu denen der Rhein-Sieg-Kreis gehört, gehalten wird. Die Verkehrsbetrieb Hüttebräucker GmbH und die BVR Busverkehr Rheinland GmbH haben die beabsichtigte Direktvergabe angefochten. Sie machten geltend, dass der in Rede stehende Auftrag nicht in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 falle, da er nicht die Form einer Dienstleistungskonzession annehmen solle.

C-267/17: Klage gegen Kreis Heinsberg wegen Direktvergabe an internen Betreiber

Der Kreis Heinsberg, der dem Zweckverband Aachener Verkehrsverbund angehört, veröffentlichte am 15.03.2016 im EU-Amtsblatt eine Vorabinformation über die beabsichtigte Direktvergabe eines Auftrags über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und sonstigen Kraftfahrzeugen. Danach war vorgesehen, dass dieser Vertrag, der mehrere Millionen Kilometer betraf und dessen Durchführung am 01.01.2018 beginnen sollte, gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 direkt an einen internen Betreiber, und zwar die WestVerkehr GmbH, vergeben werden sollte. Rhenus Veniro hat diese beabsichtigte Direktvergabe beanstandet.

OLG Düsseldorf: Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 anwendbar?

Das Vorlagegericht, das Oberlandesgericht Düsseldorf, wollte vom EuGH im Vorabentscheidungsverfahren wissen, ob Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 auf die Direktvergabe von Verträgen über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen, die nicht die Form von Dienstleistungskonzessionen im Sinne der allgemeinen Vergaberichtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG annehmen, grundsätzlich anwendbar ist, oder ob weiterhin die genannten allgemeinen Vergaberichtlinien einschlägig sind.

EuGH verneint Anwendbarkeit

Laut EuGH ist Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 in diesen Fällen nicht anwendbar. Der Unionsgesetzgeber habe - in Ermangelung spezieller Vorschriften in den allgemeinen Vergaberichtlinien - im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ein spezifisches Regelwerk mit Vergabevorschriften für Konzessionen und Verträge über Personenverkehrsdienste mit Eisenbahnen und U-Bahnen geschaffen, auch was die Direktvergabe solcher Verträge anbelange.

Aufträge ohne Konzessionscharakter über Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen unterliegen weiterhin den Vergaberichtlinien

Da die Verträge über öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen und Straßenbahnen, die keine Konzessionen beträfen, bereits vor dem Erlass der Verordnung den allgemeinen Vergaberichtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG unterlegen hätten, habe keine Notwendigkeit einer neuen Regelung für die Vergabe solcher Verträge bestanden, erläutert der EuGH. Solche Verträge unterlägen folglich normalerweise, je nach Lage des Falles, weiterhin der Anwendung der Richtlinie 2004/17/EG oder der Richtlinie 2004/18/EG, und zwar auch im Hinblick auf die Regeln zur Direktvergabe, die sich aus der Rechtsprechung zu diesen Richtlinien ergäben.

Direktvergabe setzt Anwendung der Vergaberichtlinien voraus

Der EuGH hält fest, dass sich die Rechtsprechung über Direktvergaben öffentlicher Aufträge auf der Grundlage und unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Vergaberichtlinien entwickelt habe. Dies bedeute, dass die Regelung über Direktvergaben ihren Ursprung und ihre Daseinsberechtigung in diesen Richtlinien hat. Die neueren allgemeinen Vergaberichtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU, mit denen die Richtlinie 2004/18/EG und die Richtlinie 2004/17/EG aufgehoben und ersetzt worden seien, hätten die EuGH-Rechtsprechung im Bereich von Direktvergaben kodifiziert und präzisiert. Diese Kodifizierung der allgemeinen Regelung über Direktvergaben verdeutliche, auch wenn sie zeitlich nicht auf die vorliegenden Streitigkeiten anwendbar sei, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigt habe, dass mit dieser Regelung an die allgemeinen Vergaberichtlinien angeknüpft wird. Diese Eingliederung der Regelung über Direktvergaben in den Anwendungsbereich der Richtlinien im Bereich öffentlicher Aufträge bedeute, dass in der Praxis jeder Rückgriff auf diese Art der Vergabe die Anwendung dieser Richtlinien voraussetzt.

EuGH, Urteil vom 21.03.2019 - C-266/17

Redaktion beck-aktuell, 4. April 2019.