Digital Services Act: Amazon muss Werbearchiv öffentlich zugänglich machen

Amazon muss ein Werbearchiv zur Online-Werbung doch öffentlich zugänglich machen. Anders als die Vorinstanz hat der Vizepräsident des Europäischen Gerichtshofs am Mittwoch einen entsprechenden Antrag des Online-Händlers auf Aussetzung dieser Pflicht aus dem Digital Services Act (DSA) zurückgewiesen.

Im April 2023 wurde der Amazon Store im Sinne der Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Digital Services Act, kurz: DSA) als "sehr große Online-Plattform" eingestuft. Verbunden damit sind für das Unternehmen bestimmte Pflichten. So muss Amazon ein Werbearchiv mit detaillierten Informationen über die Online-Werbung öffentlich zugänglich machen.

Der Online-Händler beantragte beim Gericht der Europäischen Union die Nichtigerklärung dieser Entscheidung und stellte einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Der Präsident des Europäischen Gerichts ordnete im September 2023 die Aussetzung des Kommissions-Beschlusses an, soweit es um die Verpflichtung ging, das Werbearchiv öffentlich zugänglich zu machen.

Die Kommission wehrte sich erfolgreich dagegen. Mit der jetzt ergangenen Entscheidung hat der EuGH-Vizepräsident die Aussetzung wieder aufgehoben (Beschluss vom 27.03.2024 – C-639/23 P(R)). Der Kommission sei unter Verstoß gegen den Grundsatz eines kontradiktorischen Verfahrens die Möglichkeit vorenthalten worden, zu den Argumenten, die von Amazon im Verfahren vor dem EuG vorgetragen worden seien, Stellung zu nehmen.

Interessen des Unionsgesetzgeber überwiegen

Amazon sieht durch die Pflicht, ein Werbearchiv öffentlich zugänglich zu machen, seine Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf unternehmerische Freiheit rechtswidrig eingeschränkt. Der EuGH-Vizepräsident ist zwar der Ansicht, dass dieses Vorbringen "dem ersten Anschein nach nicht als unerheblich und außerdem völlig haltlos angesehen werden kann". Amazon drohe bis zur Entscheidung in der Hauptsache außerdem ein schwerwiegender und nicht wiedergutzumachender Schaden.

Im Ergebnis würden aber die Interessen des Unionsgesetzgebers den materiellen Interessen von Amazon vorgehen. Die Aussetzung würde bedeuten, das vollständige Erreichen der Ziele der Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste möglicherweise über mehrere Jahre hinauszuschieben. Damit entwickle sich möglicherweise ein Online-Umfeld, das eine Bedrohung für die Grundrechte darstelle, so der EuGH.

Das Gericht wird sein Endurteil in dieser Sache zu einem späteren Zeitpunkt verkünden. Ein Beschluss, mit dem einstweilige Anordnungen erlassen werden, greift der Entscheidung in der Hauptsache nicht vor.

EuGH, Beschluss vom 27.03.2024 - C-639/23

Redaktion beck-aktuell, ew, 27. März 2024.