EuGH: Dienstleistungsfreiheit gilt nicht für Dienstleistungen zwischen Gibraltar und Vereinigtem Königreich

Der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit gilt nicht für Dienstleistungen zwischen Gibraltar und dem Vereinigten Königreich. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 13.06.2017 entschieden. Dienstleistungen zwischen Gibraltar und Großbritannien hätten keinen grenzüberschreitenden Charakter (Az.:C-591/15).

Gibraltarischer Wirtschaftsverband rügt im Vereinigten Königreich erhobene Fernglücksspielabgabe

Kläger des Ausgangsverfahrens ist ein Wirtschaftsverband (GBGA), dessen Mitglieder, die vor allem in Gibraltar niedergelassen sind, Fernglücksspieldienstleistungen an Kunden innerhalb und außerhalb des Vereinigten Königreichs erbringen. 2014 erließ das Vereinigte Königreich eine neue Steuerregelung für bestimmte Glücksspielabgaben. Nach dieser Regelung, die auf dem "Verbrauchsort"-Prinzip beruht, haben Glücksspielanbieter für die Fernglücksspieldienstleistungen, die sie an im Vereinigten Königreich ansässige Spieler erbringen, eine Abgabe zu entrichten. Nach der bis dahin geltenden Steuerregelung, die auf dem "Leistungsort"-Prinzip aufbaute, hatten nur die im Vereinigten Königreich ansässigen Dienstleistungserbringer Abgaben auf ihre Bruttogewinne aus an Kunden weltweit erbrachten Glücksspieldienstleistungen zu entrichten. Der Verband hat diese neue Steuerregelung vor dem High Court of Justice angefochten und einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV gerügt.

Britische Finanzverwaltung: Dienstleistungsfreiheit nicht anwendbar

Die im Ausgangsverfahren beklagte britische Finanzverwaltung machte geltend, dass sich GBGA nicht auf unionsrechtliche Rechtspositionen berufen könne, da die Erbringung von Dienstleistungen durch in Gibraltar niedergelassene Wirtschaftsteilnehmer an im Vereinigten Königreich ansässige Personen nicht vom Unionsrecht erfasst werde. Jedenfalls könne in der neuen Steuerregelung keine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gesehen werden, da es sich um eine unterschiedslos anwendbare steuerliche Maßnahme handle.

Vorlagegericht: Dienstleistungsfreiheit auf Dienstleistungen zwischen Gibraltar und Vereinigtem Königreich anwendbar?

Der High Court of Justice rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und wollte wissen, ob Gibraltar und das Vereinigte Königreich für die Zwecke des freien Dienstleistungsverkehrs als Teile eines einzigen Mitgliedstaats anzusehen seien oder ob Gibraltar in diesem Bereich aus unionsrechtlicher Sicht den Verfassungsstatus eines gegenüber dem Vereinigten Königreich gesonderten Gebiets habe, so dass die Dienstleistungen zwischen beiden als Handel zwischen zwei Mitgliedstaaten zu behandeln sind.

EuGH: Dienstleistungen zwischen Gibraltar und Großbritannien nicht grenzüberschreitend

Der EuGH hat entschieden, dass die Erbringung von Dienstleistungen durch in Gibraltar niedergelassene Wirtschaftsteilnehmer an im Vereinigten Königreich ansässige Personen unionsrechtlich gesehen einen Sachverhalt darstellt, der in keiner Hinsicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist. Zwar gehöre Gibraltar nicht zum Vereinigten Königreich. Dies sei aber für die Feststellung, ob zwei Hoheitsgebiete für die Zwecke der Anwendung der Bestimmungen über die Grundfreiheiten einem einzigen Mitgliedstaat gleichzustellen sind, nicht ausschlaggebend.

Beziehungen nicht vergleichbar mit denen zwischen zwei Mitgliedstaaten

Laut EuGH gibt es keine Anhaltspunkte, aufgrund derer die Beziehungen zwischen Gibraltar und dem Vereinigten Königreich für die Zwecke von Art. 56 AEUV als den Beziehungen zwischen zwei Mitgliedstaaten gleichartig angesehen werden könnten. Ein gegenteiliger Befund liefe darauf hinaus, die im Unionsrecht anerkannten Bande zwischen diesem Hoheitsgebiet und dem Vereinigten Königreich zu leugnen. Denn das Vereinigte Königreich habe die aus den Verträgen fließenden Verpflichtungen gegenüber den übrigen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Anwendung und Umsetzung des Unionsrechts im Hoheitsgebiet von Gibraltar übernommen.

Ergebnis mit Status Gibraltars vereinbar

Schließlich bekräftigt der EuGH, dass dieses Ergebnis weder dem Ziel, das Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, noch dem Status Gibraltars nach nationalem Verfassungsrecht oder nach dem Völkerrecht Abbruch tue. Er betont, dass es nicht in dem Sinne verstanden werden könne, dass damit der gesonderte und unterschiedliche Status von Gibraltar angetastet würde.

EuGH, Urteil vom 13.06.2017 - C-591/15

Redaktion beck-aktuell, 13. Juni 2017.

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