Mit der Verschärfung werde nämlich keine schwerere Strafe als die ursprünglich angedrohte verhängt, so die Luxemburger Richterinnen und Richter (Urteil vom 03.04.2025 – C-743/24, Alchaster II).
Ein Ire steht unter Verdacht, in Nordirland terroristische Straftaten begangen zu haben. Ein dortiger Strafrichter erließ deswegen vier Haftbefehle gegen ihn. Der Ire wendet gegen die Übergabe an Nordirland ein, dass das Vereinigte Königreich nach der mutmaßlichen Begehung der in Rede stehenden Straftaten die Vorschriften über die Haftentlassung unter Auflagen zu seinem Nachteil geändert habe.
Auf ein erstes Vorabentscheidungsersuchen aus Irland in dieser Sache stellte der EuGH klar, dass die vollstreckenden irischen Justizbehörden eigenständig prüfen müssen, ob im Fall der Auslieferung eine Verletzung von Grundrechten im Sinne der EU-Grundrechte-Charta droht.
Strafe ist von ihrer Vollstreckung zu trennen
Jetzt möchte das Oberste Gericht Irlands wissen, ob das in der Charta vorgesehene Verbot, eine schwerere Strafe zu verhängen als die, die zu der Zeit, als die Straftat mutmaßlich begangen wurde, angedroht war, den Fall erfasst, dass die Voraussetzungen für die Haftentlassung unter Auflagen verschärft worden sind.
Der EuGH verneint das. Die Verschärfung der Voraussetzungen für die Haftentlassung impliziere nicht unbedingt, dass eine schwerere Strafe verhängt worden sei. Der Begriff "Strafe" – verstanden als die ausgesprochene oder möglicherweise auszusprechende Verurteilung – sei nämlich von dem der Maßnahmen zur "Vollstreckung" oder "Anwendung" der Strafe zu trennen.
Ein Verstoß gegen europäische Grundrechte könne nur dann vorliegen, wenn die in Rede stehenden Änderungen substantiell die Möglichkeit einer Haftentlassung unter Auflagen aufheben oder wenn sie das Wesen der zur Zeit der mutmaßlichen Begehung der in Rede stehenden Taten angedrohten Strafe "verschärfen". Beides hält der EuGH hier aber nicht für gegeben.
Nur Vollstreckung der Strafe betroffen
In Groß-Britannien war früher eine automatische Haftentlassung unter Auflagen nach Verbüßung der Hälfte der Strafhaft erlaubt. Die Regelung wurde dahin geändert, dass ein Häftling jetzt mindestens zwei Drittel seiner Strafe verbüßt haben muss, bevor ihm eine Haftentlassung unter Auflagen zugutekommen kann. Zusätzlich muss eine Fachbehörde bestätigen, dass sie die Fortsetzung der Haft für den Schutz der Gesellschaft für nicht mehr erforderlich hält. Ein Jahr vor Ende der Haftzeit ist die Haftentlassung unter Auflagen aber in jedem Fall vorgesehen.
Das, so der EuGH, wahre die Möglichkeit einer Haftentlassung unter Auflagen. Die neue Regelung führe nicht zu einer Verlängerung der Höchstzeit, während der die betroffene Person letztlich inhaftiert werden könnte.