Thyssenkrupp und Tata Steel, ein Unternehmen aus Indien, handeln beide unter anderem mit Erzeugnissen aus Kohlenstoff-Flachstahl und Elektrostahl und stellen diese auch selbst her. Im September 2018 meldeten sie nach der Fusionskontrollverordnung (EG Nr. 139/2004), dass sie ein gemeinsames neues Unternehmen gründen wollten, in dem hauptsächlich metallbeschichtete und laminierte Verpackungsstahl-Erzeugnisse sowie feuerverzinkte Stahlerzeugnisse für die Automobilindustrie produziert werden sollten. Durch den Zusammenschluss wäre zu der Zeit Europas zweitgrößter Stahlkonzern mit rund 48.000 Mitarbeitern und Werken in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden entstanden. Thyssenkrupp wollte damit die Abhängigkeit vom schwankenden Stahlgeschäft verringern, das damals wie heute unter Überkapazitäten und einem Wettbewerbsdruck aus Asien leidet.
Die EU-Kommission lehnte das Vorhaben am 11.6.2019 ab. Sie war der Auffassung, dass es insbesondere wegen horizontaler nichtkoordinierter Effekte infolge des Wegfalls eines starken Wettbewerbsdrucks einen wirksamen Wettbewerb erheblich beeinträchtigen würde. Thyssenkrupp sah dies anders und erhob Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission. Das EuG wies diese im Juni 2022 zurück und bestätigte die Einschätzung der Brüsseler Behörde.
EuGH bestätigt Kommissionsbeschluss
Der Stahlkonzern ließ nicht locker, zog vor den EuGH (Urteil vom 04.10.2024 - C-581/22 P) und lieferte gleich fünf Gründe, aus denen der Kommissionsbeschluss rechtswidrig sein sollte: diese beträfen die Definition des relevanten Produktmarkts und des relevanten räumlichen Marktes, ferner monierte der Konzern den für die Kommission geltenden Beweisstandard. Er sah zudem unter anderem Fehler bei der Auslegung von Art. 2 Abs. 3 der Fusionskontrollverordnung, der Auslegung der Begriffe "wichtige Wettbewerbskraft" und "nahe Wettbewerber". Darüber hinaus brachte Thyssenkrupp vor, das Gericht habe bestimmte Beweismittel verfälscht.
Aber auch der EuGH ließ den Stahlkonzern abblitzen und berücksichtigte die vorgebrachten Gründe nicht. Vielmehr bestätigte er die Vorinstanz und den Kommissions-Beschluss. Man habe die Zurückweisung des Rechtsmittels "zur Kenntnis genommen", erklärte Thyssenkrupp. "Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass das Gericht die von uns vorgebrachten Klagegründe nicht hinreichend berücksichtigt hat", hieß es weiter. Angesichts der schwierigen Lage in der europäischen Stahlindustrie halte man die von der Europäischen Kommission angesetzten Maßstäbe zur Beurteilung von Wettbewerbsbeeinträchtigungen für nicht angemessen.
Thyssenkrupp bekräftigte nach dem Urteil seine Absicht, seine Stahlsparte eigenständig aufzustellen. Das Unternehmen verwies auf die im Juli erfolgte Übernahme von 20% des Stahlgeschäfts durch das Energieunternehmen EP Corporate Group (EPCG). "Darüber hinaus sind Thyssenkrupp und EPCG in Gesprächen über den Erwerb weiterer 30% der Anteile am Stahlgeschäft mit dem Ziel, ein gleichberechtigtes 50/50-Joint Venture zu bilden", hieß es.