Polnische Justizreform: Beteiligung des Landesjustizrats an Ernennung rechtfertigt noch keinen Richterausschluss

Ist ein polnischer Richter, der nach der Justizreform von 2017 ernannt wurde, kein "zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht", weil der Landesjustizrat am Ernennungsverfahren beteiligt war? Nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts Dean Spielmann reicht das allein nicht und rechtfertigt nicht dessen Ausschluss.

In einen Zivilverfahren vor einem polnischen Gericht beantragte eine der Parteien den Ausschluss der Richterin. Die Partei hielt deren Ernennung für unwirksam, da sie vom polnischen Landesjustizrat als Kandidatin für die Ernennung zur Richterin vorgeschlagen worden sei. Dessen Unabhängigkeit gegenüber der Legislative und der Exekutive sei durch die Reform von 2017 in Frage gestellt worden.

Außerdem sei ausschließlich die Kammer für außerordentliche Kontrolle und öffentliche Angelegenheiten des polnischen Obersten Gerichts dafür zuständig, die Rechtmäßigkeit der Ernennung eines Richters zu prüfen. Die setze sich ebenfalls aus Richtern zusammen, die auf Vorschlag des Landesjustizrats ernannt worden seien.

Der Landesjustizrat ist das Gremium, das Richterinnen und Richter für freiwerdende Stellen nominiert. Im Jahr 2017 hatte die mittlerweile abgewählte nationalkonservative polnische PiS-Regierung eine Reform eingeführt, nach der 15 der insgesamt 25 Mitglieder des Landesjustizrates durch das Parlament ernannt wurden – zuvor hatten Richterinnen und Richter die Mehrheit der Mitglieder bestimmt. Das polnische Gericht wollte nun vom EuGH wissen, ob ein vom Landesjustizrat vorgeschlagener und dann ernannter Richter als ein "zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht" im Sinne des Unionsrechts ist.

"Zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht" nicht automatisch zu verneinen

Nach Ansicht von EuGH-Generalanwalt Dean Spielmann lässt sich das nicht automatisch verneinen (Schlussanträge vom 29.04.2025 - C-521/21). Weder die Einbindung des Landesjustizrats in das Ernennungsverfahren noch das Fehlen eines wirksamen Rechtsbehelfs für die abgelehnten Kandidaten ließen für sich oder zusammen betrachtet einen solchen Schluss zu.

Vielmehr sei die Frage der Gültigkeit einer Ernennung "individualisiert und konkret" zu beurteilen. Dabei seien sämtliche Aspekte zu berücksichtigen, die mit der besonderen Situation des jeweils betroffenen Richters oder Spruchkörpers verbunden seien. Spielmann weist darauf hin, dass die Sache erhebliche Bedeutung für das Vertrauen in die Justiz habe. Denn in Polen seien etwa 3.000 Richter auf Vorschlag des Landesjustizrats ernannt worden.

Laut Generalanwalt müssen außerdem die nationalen Gerichte dafür zuständig sein, die Ordnungsmäßigkeit der Richterernennung zu prüfen. Entgegenstehende nationale Vorschriften und Urteile des jeweiligen Verfassungsgerichts müssten sie wegen des Vorrangs des Unionsrechts außer Acht lassen. Daher müssten die nationalen Gerichte einen Richter, der die mit einem zuvor durch Gesetz errichteten Gericht verbundenen Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht erfülle, von Rechts wegen ausschließen können. Die konkrete Regelung sei aber deren Sache. 

EuGH, Schlussanträge vom 29.04.2025 - C-521/21

Redaktion beck-aktuell, hs, 30. April 2025.

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