Missbräuchliche Talentförderungsverträge: Zehn Prozent, 15 Jahre lang
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Dürfen sich Talentförderer von jungen Sportlern langfristig Anteile von deren Gehalt versprechen lassen? Der EuGH gibt Gestaltungstipps, wie Talentförderer ihre Verträge rechtssicher gestalten können, meint Mark-E. Orth.

Der EuGH hat sich am Donnerstag mit der Frage beschäftigt, ob Talentagenturen Förderungsverträge mit minderjährigen Sportlern schließen und sich dabei einen Teil ihrer künftigen Einnahmen sichern dürfen. Entsprechende Klauseln können im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, stellte der Gerichtshof dabei fest (Urteil vom 20.03.2025 - C-365/23). Grundsätzlich scheint der EuGH aber durchaus eine Rechtfertigung für diese Verträge zu sehen.

Solche Talentförderungsverträge mit minderjährigen Athletinnen und Athleten sind vor allem im Tennisbereich, aber auch im Basketballbereich üblich. In extremen Fällen wird bereits mit sechsjährigen Athletinnen ein solcher Vertrag abgeschlossen. Der Talentförderer verpflichtet sich dabei, die meist immensen Kosten der sportlichen Ausbildung zu übernehmen und bietet daneben noch weitere Leistungen an, etwa die Vermittlung an einen Verein. Als Entgelt wird regelmäßig eine Beteiligung an den sämtlichen zukünftigen Einnahmen der Betreuten vereinbart. Üblich sind dabei Laufzeiten von 15 Jahren und eine zehnprozentige Beteiligung, vereinzelt werden aber auch Prozentsätze zwischen fünf und 25 beobachtet.

Ähnlich gelagerte Fälle beschäftigen die Gerichte seit Jahrzehnten. So hat sich das OLG München etwa 2002 mit dem Fördervertrag zugunsten von Thomas "Tommy" Haas beschäftigt. Damals lehnte das OLG die Verbrauchereigenschaft des bei Vertragsschluss noch minderjährigen späteren Tennisstars ab.

EuGH bewertet minderjährige Sportler als Verbraucher

Der aktuelle Fall kommt aus Lettland. Dort hatte der damals noch 17-jährige Basketballspieler und spätere NBA-Profi David Bertans, vertreten durch seine Eltern, mit einer Agentur einen Vertrag abgeschlossen, wonach diese umfangreiche Dienstleistungen erbringen sollte, um die sportliche Karriere, aber auch die Vermarktung des jungen Sportlers zu fördern, inklusive der Vermittlung an Clubs. Im Gegenzug sollte der Athlet zehn Prozent sämtlicher während der 15-jährigen Laufzeit des Vertrags erzielten Nettoeinnahmen als Entgelt an die Agentur zahlen. 

Als die Agentur die Beteiligung geltend machte, kam es zum gerichtlichen Streit. Sie bestand auf einer Summe von rund 1,6 Millionen Euro. Bedenkt man, dass Bertans in der NBA ein Jahresgehalt von 16 Millionen Euro bereits zu Beginn seiner Karriere bezogen haben soll, erscheint der Betrag nicht unverhältnismäßig. Zentraler Streitpunkt war aber, ob die zehnprozentige Entgeltklausel hier missbräuchlich vereinbart worden war, weil der Spieler als Verbraucher anzusehen war. Der Fall beschäftigt den litauischen Supreme Court nun schon zum zweiten Mal, nachdem er 2020 eine Vorlage an den EuGH zunächst abgelehnt hatte.

Anders als damals im Fall von Thomas Haas das OLG München hat der EuGH hier die Verbrauchereigenschaft des minderjährigen Sportlers bejaht, weil auf die Eigenschaft der Person zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen sei und sich daran auch durch den Gegenstand des Vertrags – nämlich die künftige berufliche Laufbahn – nichts ändere. Auch der Umstand, dass er Minderjährige und seine Eltern aufgrund seiner Eigenschaft als "Nachwuchsspieler" besondere Kenntnisse hatten, blieb unberücksichtigt, weil der Verbraucherbegriff eben ein objektiver Begriff sei.

Leistungen müssen klar sein, aber Entgelt muss sich nicht daran orientieren

Zur Frage des lettischen Supreme Court, ob eine solche Zehn-Prozent-Klausel klar und verständlich sei, äußerte sich der EuGH nur sehr allgemein. Er betonte aber, dass auch der Umfang der geschuldeten Dienstleistungen klar und verständlich sein müsse und dass Verbraucherinnen und Verbraucher hinsichtlich der Berechnungsgrundlage für die Gegenleistung über alle notwendigen Informationen verfügen müssten, um die wirtschaftlichen Folgen ihrer Verpflichtung einzuschätzen. Gerade aus dem Umstand, dass der Vertrag sehr spezifisch mögliche Einkommensquellen benennt, könnte das lettische Gericht ableiten, dass die Entgeltklausel klar und verständlich ist. Für die Gestaltung von Talentförderverträgen wird es zukünftig sehr wichtig sein, gerade die wirtschaftlichen Folgen sehr konkret aufzuzeigen.

Der EuGH vermerkte, dass eine solche Entgeltklausel nicht schon deswegen missbräuchlich sei, weil es keinen Zusammenhang zwischen Entgelthöhe und den tatsächlichen Kosten der Dienstleistung gebe. Das ist über Talentförderungsverträge hinaus auch für Verträge zwischen Minderjährigen und Spielervermittlungsagenturen von Interesse, zumal einige der gleichen Richterinnen und Richter beim EuGH demnächst auch über die FIFA-Spielervermittlerregulierung zu entscheiden haben, die ebenfalls vermeintliche Schutzvorschriften für Minderjährige enthält.

Sollte die Entgeltklausel missbräuchlich sein, wäre eine Herabsetzung des Entgelts auf die tatsächlich entstandenen Kosten nicht zulässig. Hier betont der EuGH seine ständige Rechtsprechung vom nötigen Abschreckungseffekt, der ansonsten verloren ginge.

Verbandsregeln zum Schutz Minderjähriger bleiben ohne Bedeutung

Der EuGH erwähnt den Eigentumsschutz aus Art. 17 GRCh zwar, aber ohne daraus weitere Folgen abzuleiten. Bei Art. 24 GRCh betont er, wie wichtig der Schutz des Kindeswohls sei und benennt auch die Dimension der Verfahrensgarantie. In der konkreten Aussage für den Fallausgang ist das aber wenig hilfreich. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass die Eltern Kenntnisse des Berufssports hätten und dass der Athlet im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits 17 gewesen sei. Der vorliegende Fall gibt allerdings vom Sachverhalt auch wenig Anlass zu zweifeln, dass das Kindeswohl im vorliegenden Fall nicht gewahrt worden wäre. Bertans hat sich später immerhin zu einem der hochwertigsten NBA-Spieler entwickelt.

Interessant ist, dass der EuGH an keiner Stelle Bezug nimmt auf die Vorschriften, die Sportverbände wie der internationale Basketballverband FIBA oder der Weltfußballverband FIFA im Bereich von Vermittlerverträgen vorsehen, speziell bei Verträgen mit Minderjährigen. Vorliegend geht es schließlich um einen Basketballspieler, so dass die FIBA-Regeln einschlägig wären, die eine maximale Laufzeit des Vermittlervertrags von zwei Jahren erlauben. Die FIFA sieht für Vermittlerverträge mit Minderjährigen sogar eine weitgehende Unentgeltlichkeit der Vermittlerleistungen vor. Beides hat der EuGH im Rahmen der Missbräuchlichkeit nicht als Maßstab erwähnt, obgleich er davon spricht, dass loyale Marktpraktiken berücksichtigt werden können. Es sind also nicht grundsätzlich Marktpraktiken zu berücksichtigen, sondern nur loyale. Solche etwa, die durch einen Sportverband faktisch aufgezwungen werden, sind also kein Maßstab. 

Rechtfertigungsmythos für Verbandsregeln ist dahin

Mit der Entscheidung des EuGH entfällt ein entscheidender Rechtfertigungsmythos für spezielle Verbandsregeln bei Vermittlerverträgen gegenüber Minderjährigen, nämlich, dass kein staatliches Recht den Minderjährigen schützt. Noch in der Anhörung vor dem EuGH zur FIFA-Spielervermittlerregulierung hat die FIFA wiederholt betont, es brauche eine FIFA-Regulierung, weil der Staat in diesem Bereich nicht schütze. Hier hat der EuGH klargemacht, dass insoweit sowohl die Verbraucherschutzrichtlinie 93/13 heranzuziehen ist und in diesem Umfang auch Art. 24 GRCh zu berücksichtigen ist. Der europäische Gesetzgeber hat das Problem also schon gelöst, hier braucht es keine besonderen Verbandsregelungen. 

Diese Erkenntnis ist besonders spannend, weil einige der beteiligten Richterinnen und Richter im Verfahren über die FIFA-Spielervermittlerregelungen zu entscheiden haben und auch an der Anhörung besonders aktiv teilgenommen haben. Dort geht es zwar vornehmlich um kartellrechtliche Fragen, aber inzident wird hier auch die Frage relevant, ob etwa Minderjährige durch staatliches Recht beim Abschluss von Spielervermittlerverträgen geschützt werden oder ob eben die FIFA diesen Schutz übernehmen muss, weil es an einem staatlichen Schutz fehlt. In einer älteren Entscheidung des EuGH zu einem früheren FIFA-Spielervermittlerreglement (Laurent Piau, C-171/05 P) war es ein maßgebliches Rechtfertigungsargument der FIFA, dass die Spieler nicht durch staatliches Recht geschützt würden.

Fazit: Gestaltungshinweise für Talentförderer, spannende Hinweise auf FIFA-Urteil

Auch über den Minderjährigen-Schutz hinaus vermag diese EuGH-Entscheidung aussagekräftig zu sein, weil eben auch die negativen Grenzen der Verbraucherschutzrichtlinie zu beachten sind. Auch für die durch die FIFA-Spielervermittlerregulierung eingeführten Entgeltgrenzen der FIFA wird hier ein klares Urteil gesprochen.

Für Talentförderer lassen sich aus der Entscheidung Hinweise ableiten, wie sie in Zukunft ihre Verträge rechtssicherer gestalten können – auch, welche Klauseln man aufnehmen sollte, um die Interessen der Sportler zu wahren. Etwa eine Kündigungsklausel für den Fall, dass der oder die Geförderte keinen Sport mehr betreiben will. Zu den klaren Hinweisen des Gerichtshofs zählen die Umstände, dass Talentförderverträge mit Minderjährigen dem Verbraucherschutz unterfallen können und dass ein Missverhältnis zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem Entgelt nicht unmittelbar missbräuchlich ist. Man darf gespannt auf die anstehende Entscheidung über die FIFA-Regularien warten. Auch für das FIFA-Verbot der Drittbeteiligung an Spielern (TPO-Verbot) lassen sich dem Urteil deutliche Signale entnehmen. Wenn man grundsätzlich mit Minderjährigen Verträge über ihre berufliche Zukunft, finanziert durch ihre zukünftigen Erträge, abschließen kann, dann kann man das schwerlich Volljährigen verbieten.

Mark-E. Orth ist Rechtsanwalt und Gründer der Kanzlei MEO* in München. Er vertritt u. a. internationale Sportverbände, Bundesliga-Fußballclubs wie auch Einzelsportlerinnen und -sportler.

EuGH, Urteil vom 20.03.2025 - C-365/23

Gastbeitrag von Mark-E. Orth, 21. März 2025.

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