Verstoßen EU-Behörden, die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) tätig werden, gegen Menschenrechte, kann dies vor den Gerichten der Union auch gerügt werden. Das stellte der EuGH am Dienstag klar (Urteil vom 10.09.2024 – C-29/22 P, C-44/22 P). Konkret ging es um die Mission Eulex Kosovo, die seit 2008 Menschenrechtsverletzungen und Todes- wie Vermisstenfälle resultierend aus dem Kosovokrieg 1999 untersuchen soll.
2009 richtete die Union dann eine Kommission für die Überwachung der Achtung der Menschenrechte ein, die damit betraut wurde, zu prüfen, ob Eulex im Rahmen der Mandatsausübung selbst Menschenrechtsverletzungen begangen hat. Zwei Familienangehörige von seit 1999 vermissten oder getöteten Personen reichten Beschwerden gegen Eulex ein. Daraufhin kam die Überwachungskommission im November 2015 und Oktober 2016 zu dem Ergebnis, dass "eine Reihe von Grundrechten verletzt worden sei". Das Verfahren wurde im März 2017 beendet, wobei die Überwachungskommission feststellte, dass der Leiter von Eulex Kosovo die an ihn gerichteten Empfehlungen nur teilweise umsetzte. Im Folgenden verklagte ein Angehöriger den Rat der Europäischen Union, die Europäische Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst wegen außervertraglicher Haftung. Dabei machte er mehrere Menschenrechtsverletzungen geltend.
Im Dezember 2017 erklärte das EuG, es sei für die Sache "offensichtlich unzuständig". Ebenfalls von einer offensichtlichen Unzuständigkeit ging das EuG bei den daraus resultierenden weiteren Klagen zweier Angehörigen aus. Mit den Klagen begehrten sie Ersatz des Schadens, der ihnen durch Handlungen und Unterlassungen der Eulex Kosovo-Untersuchungen entstanden sein soll. Das EuG war der Auffassung, dass Handlungen im Rahmen der GASP nicht seiner Zuständigkeit unterlägen.
Nur politische und strategische Entscheidungen nicht überprüfbar
Der EuGH sah dies anders, hob den Beschluss des EuG teilweise auf und verwies die Sache an das Gericht zurück. Eulex Kosovo sei im Rahmen der GASP entsandt worden. Durch die Einbeziehung der GASP in den verfassungsrechtlichen Rahmen der Union gälten auch die Grundprinzipien der Unionsrechtsordnung für die GASP und damit Eulex Kosovo, so der EuGH. Dazu gehöre die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte, die verlangten, dass die Behörden der EU einer gerichtlichen Kontrolle unterlägen. Grundlegend enthielten die Bestimmungen der Verträge und der EU-Grundrechtecharta das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Dies begründe aber nicht für sich schon eine Zuständigkeit der Unionsgerichte. Auch aus dem von der EMRK garantierten Recht auf eine wirksame Beschwerde folge dies noch nicht zwingend.
Im Rahmen einer Auslegung der Verträge und im Lichte des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf sowie der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit zog der EuGH jedoch den Schluss, dass Unionsgerichte für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einiger aus der GASP resultierender Handlungen zuständig sein müssten. Dies gelte jedoch nur, wenn die zu überprüfenden Handlungen nicht unmittelbar mit politischen oder strategischen Entscheidungen in Verbindung stünden, so der Gerichtshof. Dies treffe auf die von Eulex Kosovo getroffenen Entscheidungen über die Auswahl des Personals für die Mission zu, sodass diese vom EuG überprüft werden könnten. Gleiches gelte für das Fehlen von Bestimmungen, die Prozesskostenhilfe im Rahmen der Verfahren vor der Überwachungskommission vorsähen.
Überwachungskommission hatte nicht genug Hebel
Auch kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass das Fehlen von Abhilfemaßnahmen für die Grundrechtsverletzungen durch Eulex Kosovo ebenfalls keine strategische oder politische Entscheidung der GASP und daher von der Zuständigkeit des EuG erfasst sei.
Anders sahen die Luxemburger Richterinnen und Richter dies bei der Entscheidung, das Exekutivmandat der Mission Eulex Kosovo zu beenden. Diese Entscheidung stehe in unmittelbarer Verbindung mit politischen oder strategischen Entscheidungen, so dass das Gericht "keinen Fehler begangen hat, indem es sich für die Entscheidung über diesen Teil der (…) erhobenen Klage für unzuständig erklärte", heißt es in der Pressemitteilung des Gerichtshofs.