Die Beschwerden des Bürgers nach Art. 77 Abs. 1 DS-GVO liefen darauf hinaus, dass die jeweiligen Verantwortlichen nicht innerhalb eines Monats auf seine Auskunftsanträge nach Art. 15 DS-GVO reagiert hatten. Schließlich streikte die Österreichische Datenschutzbehörde. Dies begründete sie nicht nur mit der Vielzahl der Beschwerden, sondern hielt dem Bürger auch vor, dass er regelmäßig angerufen habe, um weitere Vorfälle zu melden und Anfragen zu stellen.
Ihr Recht darauf, die Bearbeitung der Beschwerde verweigern zu dürfen, leitete die Behörde aus Art. 57 Abs. 4 DS-GVO ab: Danach darf "bei offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – exzessiven Anfragen" die Bearbeitung verweigert oder von der Zahlung von Verwaltungskosten abhängig gemacht werden.
Der VwGH Österreich bat den EuGH zunächst um Klarstellung, ob diese Norm auf Bürgerbeschwerden nach Art. 77 Abs. 1 DS-GVO ("Jede betroffene Person hat…") anwendbar ist, und wollte insbesondere wissen, wann man genau von einer "exzessiven Anfrage" ausgehen könne.
In seiner Vorabentscheidung beantwortet der EuGH die erste Frage mit einem klaren Ja: Auch Beschwerden seien als Anfragen nach Art. 57 Abs. 4 DS-GVO zu werten. Ansonsten gehe der "wirksame Schutz" durch diese Regelung in einem Großteil der Fälle verloren (Urteil vom 09.01.2025 – C-416/23) .
Sodann stellen die Luxemburger Richterinnen und Richter klare Vorgaben für die Annahme exzessiver Anfragen auf. Auch wenn in der Verordnung die Anzahl ("häufiger Wiederholung…") als Beispiel genannt werde, reiche eine hohe Zahl von Eingaben allein nicht aus. Die Verweigerung der Bearbeitung (oder die Erhebung von Verwaltungskosten) müsse die Ausnahme bleiben. Allerdings gebe es einen allgemeinen Grundsatz im Unionsrecht, "wonach sich die Bürger nicht in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf unionsrechtliche Normen berufen" dürften. Entscheidendes Kriterium sei, ob jemand Beschwerden einreiche, die objektiv nicht erforderlich seien, um seine Rechte zu wahren.
Ähnlich hatte schon der VwGH Österreich argumentiert, der in seiner Vorlage auf die grundsätzliche Pflicht der Aufsichtsbehörden hingewiesen hatte, Beschwerden zu bearbeiten. Daher müsse Art. 57 Abs. 4 DS-GVO eng ausgelegt werden.
"Querulanten" vor Gericht: Auswirkungen auf Deutschland?
In Anbetracht der Tatsache, dass deutsche Gerichte sich in Ausnahmefällen weigern, weitere Anfragen zu beantworten, könnte man sich mit Blick auf den Justizgewährungsanspruch fragen, ob die Entscheidung Auswirkungen auf die deutsche Gerichtspraxis haben könnte. Der III. Zivilsenat hatte als ein Beispiel in drei gleichlautenden Beschlüssen vom 20.10.2022 einem Kläger u.a. aufgrund seiner Ablehnungsanträge gegen eine Geschäftsstellenbeamtin angekündigt, dass er nicht mehr mit der Bearbeitung weiterer "aussichtsloser und unsinniger" Eingaben rechnen dürfe.
Dr. Oliver Elzer, Vorsitzender Richter am KG, ging in einer Stellungnahme gegenüber beck-aktuell nicht davon aus, dass die Entscheidung des EuGH auf die deutsche Praxis unmittelbare Auswirkungen haben werde bzw. diese in Frage stelle.
Eine Vielzahl von Klagen und Beschwerden sei nach deutschem Verständnis grundsätzlich kein Beweisanzeichen für eine Missbrauchsabsicht, sondern "der Umstand, dass ein Gericht in einem einzigen Verfahren mit sich wiederholenden Eingaben ′bombardiert′ wird (ein Antrag wird immer und immer wieder gestellt)", wie Elzer ausführte. Dies werde durch Gehörsrügen, Befangenheitsgesuche, Dienstaufsichtsbeschwerden und Gegenvorstellungen sowie durch nicht vorgesehene "Rechtsmittel" flankiert. Üblicherweise komme es auch zu "Reihenablehnungen", wenn die Zuständigen für die Befangenheitsgesuche selbst abgelehnt würden.