Bulgarien verweigerte Ausweis für Kind mit anerkannten gleichgeschlechtlichen Eltern
Geklagt hatte eine bulgarische Staatsangehörige, die mit einer gleichgeschlechtlichen Partnerin seit 2015 in Spanien lebt und seit 2018 mit ihr verheiratet ist. 2019 brachte sie ein Kind zur Welt. In der von den spanischen Behörden ausgestellten Geburtsurkunde sind beide Frauen als dessen Elternteile angegeben. Der Antrag der Klägerin, ihrem Kind ein bulgarisches Identitätsdokument auszustellen, wurde von der Behörde in Sofia abgelehnt, da Informationen über die Identität der leiblichen Mutter des Kindes fehlten und die Angabe zweier Elternteile weiblichen Geschlechts in einer Geburtsurkunde der öffentlichen Ordnung in Bulgarien zuwiderlaufe, nach der die Ehe zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts nicht zulässig sei. Das mit der dagegen gerichteten Klage befasste bulgarische Gericht bat den Gerichtshof um Klärung, ob ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, im Hinblick auf die Erlangung eines Identitätsdokuments eine Geburtsurkunde für ein Kind zweier Mütter ohne die konkrete Angabe auszustellen, welche der beiden Frauen das Kind geboren habe.
Anspruch auf Identitätsdokument mit Nachnamen der Mütter
Der Gerichtshof hat klargestellt, dass einem minderjährigen Kind gegenüber, das Unionsbürger ist und dessen von den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellte Geburtsurkunde zwei Personen gleichen Geschlechts als seine Eltern bezeichnet, der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger dieses Kind ist, verpflichtet sei, ihm einen Personalausweis oder Reisepass auszustellen, ohne die vorherige Ausstellung einer Geburtsurkunde durch seine nationalen Behörden zu verlangen. Außerdem müsse der Mitgliedstaat das aus dem Aufnahmemitgliedstaat stammende Dokument anerkennen, das es diesem Kind ermögliche, mit jeder dieser beiden Personen sein Recht auszuüben, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Die bulgarischen Behörden müssten daher vorliegend dem Kind aufgrund seiner bulgarischen Staatsangehörigkeit unabhängig von der Erstellung einer neuen Geburtsurkunde ein Identitätsdokument mit dem Nachnamen ausstellen, wie er sich aus der von den spanischen Behörden ausgestellten Geburtsurkunde ergebe.
Recht auf Freizügigkeit mit gleichgeschlechtlichen Eltern anzuerkennen
Das Dokument müsse dem Kind auch ermöglichen, sein Recht auf Freizügigkeit mit jeder seiner beiden Mütter auszuüben. Nach Art. 21 Abs. 1 AEUV bestehe das Recht, sowohl im Aufnahmemitgliedstaat als auch im Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit ein normales Familienleben führen zu können. Da die spanischen Behörden ein biologisches oder rechtliches Abstammungsverhältnis zwischen den Beteiligten festgestellt und geburtsurkundlich bescheinigt hätten, seien die Klägerin und ihre Frau als Eltern eines minderjährigen Unionsbürgers anzuerkennen. Das der nationalen Zuständigkeit grundsätzlich den Mitgliedstaaten unterliegende Personenstandrecht dürfe nicht die Bestimmungen des Vertrags über die Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit der Unionsbürger und den in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen Recht festgestellten Personenstand missachten. Die Pflicht zur Ausstellung des Identitätsdokuments mit zwei Müttern als Eltern begründe keine weitergehenden Rechte für das Kind, sodass weder die nationale Identität noch die öffentliche Ordnung verletzt würden. Dagegen würde es gegen die durch die Art. 7 und 24 der Charta gewährleisteten Rechte verstoßen, dem Kind die Beziehung zu einem seiner Elternteile bei der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit vorzuenthalten oder die Ausübung dieses Rechts unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, weil seine Eltern gleichen Geschlechts sind.