Briten verlieren mit Brexit Vorteile der Unionsbürgerschaft

Britische Staatsangehörige, die die Vorteile der Unionsbürgerschaft genossen haben, können diese Vorteile nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU nicht behalten. Der Verlust dieser Rechte sei eine der Folgen der souveränen Entscheidung des Vereinigten Königreichs, aus der Europäischen Union auszutreten, stellt der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Anthony Michael Collins in seinen Schlussanträgen klar.

Britin klagt gegen Ausschluss von Kommunalwahlen in Frankreich

Eine Britin wohnt seit 1984 in Frankreich und ist mit einem französischen Staatsangehörigen verheiratet. Sie hat die französische Staatsangehörigkeit durch Eheschließung nicht erworben. Mit Inkrafttreten des Austrittsabkommens wurde die Britin aus dem Wählerverzeichnis ihres Wohnortes gestrichen und konnte daher nicht an den Kommunalwahlen teilnehmen. Sie begehrte in der Folge ihre Wiedereintragung in das Wählerverzeichnis für nicht französische Unionsbürger. Nachdem sie hiermit keinen Erfolg hatte, klagte sie vor einem nationalen ordentlichen Gericht. Dieses brachte die Sache vor den EuGH und fragte, ob britische Staatsangehörige oder ein Teil von ihnen weiterhin Unionsbürger sind und in den Genuss der Vorteile dieser Rechtsstellung kommen. Für den Fall, dass dies nicht der Fall sei, will das nationale Gericht wissen, ob das Austrittsabkommen – insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – aus Sicht des EuGH gültig ist.

Generalanwalt: Unionsbürgerschaft tritt zu Staatsbürgerschaft hinzu

In seinen Schlussanträgen vertritt Generalanwalt Collins zunächst die Auffassung, dass die Unionsbürgerschaft zu der von den Mitgliedstaaten verliehenen Staatsangehörigkeit hinzutrete, diese aber nicht ersetze. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs werde ausdrücklich anerkannt, dass die Befugnis, darüber zu bestimmen, wer Staatsangehöriger und somit Unionsbürger sei, weiterhin bei den Mitgliedstaaten liege. Collins geht sodann auf die Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU ein. Ein britischer Staatsangehöriger besitze seit dem Inkrafttreten des Austrittsabkommens nicht mehr das aktive und passive Wahlrecht als Unionsbürger bei Kommunalwahlen in seinem Wohnsitzmitgliedstaat. Daraus folge, dass britische Staatsangehörige seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU keine Unionsbürger mehr seien. Nach den Bestimmungen des Austrittsabkommens seien ihnen zwar während des Übergangszeitraums noch bestimmte Rechte eingeräumt worden, hierzu hätten jedoch nicht das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat gehört. 

Verlust kommunalen Wahlrechts mit EU-Austritt nicht zu beanstanden

Dann führt Generalanwalt Collins aus, dass in Anbetracht des seit dem Austritt aus der EU bestehenden Status des Vereinigten Königreichs als Drittland nicht beanstandet werden könne, dass der Beschluss 2020/135 britischen Staatsangehörigen weder während des Übergangszeitraums noch danach das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen im Mitgliedstaat ihres Wohnsitzes gewähre. Der Verlust dieser Rechte sei eine der Folgen der souveränen Entscheidung des Vereinigten Königreichs, aus der EU auszutreten. Es gebe weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Grundlage für die Schlussfolgerung, dass die EU bei der Gestaltung der auswärtigen Beziehungen die Grenzen ihres Ermessens dadurch überschritten habe, dass sie den in der EU wohnenden britischen Staatsangehörigen nicht entweder im Wege einer einseitigen Entscheidung oder als Ergebnis von Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich nach dessen Austritt weiterhin die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen in einem Mitgliedstaat gestattet habe.

Austrittsentscheidung gleichbedeutend mit Ablehnung der der EU zugrunde liegenden Grundsätze

Da die souveräne Entscheidung des Vereinigten Königreichs, aus der EU auszutreten, gleichbedeutend mit einer Ablehnung der der EU zugrunde liegenden Grundsätze sei und das Austrittsabkommen einen Vertrag zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich darstelle, um dessen geordneten Austritt aus der EU zu erleichtern, habe die EU nicht die Möglichkeit gehabt, darauf zu bestehen, dass das Vereinigte Königreich die Grundsätze, auf die die EU gründe, vollständig wahre. Die EU habe auch nicht Rechte, zu deren Durchsetzung sie jedenfalls nicht verpflichtet gewesen sei, zugunsten von Personen sichern können, die Staatsangehörige eines Staates seien, der aus der EU ausgetreten sei, und die daher keine Unionsbürger mehr seien.

EuGH, Schlussanträge vom 24.02.2022 - C-673/20

Redaktion beck-aktuell, 24. Februar 2022.