Biozidprodukte: Restriktionen im Bereich der Absatzförderung mit EU-Recht vereinbar
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Der in der Union durch die Verordnung über Biozidprodukte erreichte Harmonisierungsgrad hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, im Bereich der Absatzförderung restriktive Vorschriften zu erlassen. Wie der Europäische Gerichtshof entschieden hat, stellen solche Verbote keine Behinderung des freien Warenverkehrs dar, wenn sie den Schutz der Gesundheit und der Umwelt zum Ziel haben, geeignet sind, diese Ziele zu erreichen, und nicht über das hierzu Erforderliche hinausgehen.

Französische Dekrete zu Geschäftspraktiken und Werbung von Biozidprodukten

Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt regeln zwei 2019 erlassene französische Dekrete Geschäftspraktiken und Werbung in Bezug auf mehrere Arten von Biozidprodukten. Sie sehen zum einen vor, dass bei Insektiziden und Rodentiziden bestimmte Geschäftspraktiken wie Rabatte und Preisnachlässe verboten sind. Zum anderen schränken sie bei diesen Erzeugnissen sowie bei bestimmten Desinfektionsmitteln die kommerzielle Werbung ein. Der branchenübergreifende Ausschuss für französische ätherische Öle CIHEF und einige Hersteller ätherischer Öle haben eine Klage auf Nichtigerklärung der Dekrete unter anderem wegen Verstoßes gegen die Verordnung über Biozidprodukte (VO (EU) Nr. 528/2012) erhoben.

Unionsrecht steht Einschränkungen bei Geschäftspraktiken nicht entgegen

Das angerufene Gericht hat deshalb den EuGH dazu befragt, ob diese Verordnung und ganz allgemein der Grundsatz des freien Warenverkehrs nationalen restriktiven Vorschriften über Geschäftspraktiken und Werbung in Bezug auf zugelassene Biozidprodukte entgegenstehen, wenn diese Vorschriften den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt bezwecken. Der EuGH hat entschieden, dass weder die Verordnung über Biozidprodukte noch ganz allgemein das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die bestimmte Geschäftspraktiken wie insbesondere Rabatte, Rückvergütungen, eine Differenzierung der allgemeinen und besonderen Verkaufsbedingungen oder die Ausgabe kostenloser Proben verbietet.

An Fachleute gerichtete Werbung vollständig harmonisiert

Die Verordnung über Biozidprodukte stehe jedoch einer nationalen Regelung entgegen, die bei der an Fachleute gerichteten Werbung einen zusätzlichen Hinweis vorschreibt. Der Bereich der Angaben über die mit der Verwendung von Biozidprodukten verbundenen Risiken, die in der Werbung für diese Erzeugnisse verwendet werden dürfen, sei vom Unionsgesetzgeber vollständig harmonisiert worden. So schreibe die Verordnung einen obligatorischen Warnhinweise vor, verbiete bestimmte Angaben wie "ungiftig" oder "umweltfreundlich" und ziele ganz allgemein darauf ab, jede hinsichtlich der Risiken solcher Erzeugnisse irreführende Werbeaussage zu verbieten.

Aber: Verbot von Werbung für breite Öffentlichkeit verhältnismäßig

Allerdings habe der Unionsgesetzgeber nicht die Möglichkeit ausschließen wollen, dass die Mitgliedstaaten Werbung verbieten, die an die breite Öffentlichkeit gerichtet ist. Ein derartiges Verbot sei unter zwei Voraussetzungen möglich: Zum einen müsse die Regelung unterschiedslos für sämtliche betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im französischen Hoheitsgebiet ausüben, zum anderen müsse sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Gemessen hieran sei die fragliche Regelung verhältnismäßig. Sie sei geeignet, die Ziele des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu gewährleisten, da sie die Anreize für den Kauf und die Verwendung solcher Erzeugnisse verringern soll. Weiter beschränke sich die Regelung auf Werbung, die an die breite Öffentlichkeit gerichtet ist, und schließlich habe sie eine begrenzte Reichweite, da sie nur jene Produktarten mit dem größten Risiko für die menschliche Gesundheit betreffe.

 

EuGH, Urteil vom 19.01.2023 - C-147/21

Redaktion beck-aktuell, 19. Januar 2023.

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