EuGH bestätigt Pflicht zur Durchführung ritueller Schlachtungen in zugelassenen Schlachthöfen

Rituelle Schlachtungen ohne Betäubung dürfen nur in zugelassenen Schlachthöfen durchgeführt werden. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 29.05.2018 bestätigt. Die entsprechende europäische Vorgabe beeinträchtige nicht die Religionsfreiheit (Az.: C-426/16).

Belgien erlaubte rituelle Schlachtungen ab 2015 nur noch in zugelassenen Schlachthöfen

Das islamische Opferfest wird jedes Jahr drei Tage lang gefeiert. Zahlreiche praktizierende Muslime sehen es als ihre religiöse Pflicht an, ein Tier – vorzugsweise am ersten Tag des Opferfests – zu schlachten oder schlachten zu lassen, dessen Fleisch anschließend in der Familie verzehrt und mit Bedürftigen, Nachbarn und entfernteren Verwandten geteilt wird. Ab 2015 durften alle Schlachtungen von Tieren ohne Betäubung nur noch in zugelassenen Schlachthöfen vorgenommen werden. Zuvor durten nach belgischem Recht rituelle Schlachtungen auch in temporär zugelassenen Schlachtstätten durchgeführt werden, um die – infolge der während des islamischen Opferfests höheren Nachfrage – fehlende Kapazität der zugelassenen Schlachthöfe auszugleichen. Die Änderung wurde damit begründet, dass Zulassungen für temporäre Schlachtstätten gegen Unionsrechtsvorschriften verstießen, insbesondere gegen die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung.

Belgisches Vorlagegericht: Europäische Verordnungsvorschriften mit Religionsfreiheit vereinbar?

Wegen der Änderung verklagten mehrere islamische Vereinigungen und Moschee-Dachverbände im Jahr 2016 die Flämische Region. Sie stellten die Gültigkeit bestimmter Vorschriften der Verordnung – insbesondere im Hinblick auf die Religionsfreiheit – in Frage. Das mit der Klage befasste belgische Gericht rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an. Es wollte insbesondere wissen, ob die Pflicht, rituelle Schlachtungen ohne Betäubung nur in den zugelassenen Schlachthöfen durchzuführen, obwohl in der Flämischen Region während des Opferfestes Kapazitätsmängel bestünden, mit der Religionsfreiheit vereinbar sei.

EuGH: Rituelle Schlachtungen von Religionsfreiheit geschützt

Der EuGH hat entschieden, dass die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 nicht gegen die Religionsfreiheit verstoßen. Er hält zunächst fest, dass rituelle Schlachtungen unter den Begriff "religiöser Ritus" im Sinne der Verordnung und folglich in den Anwendungsbereich der Religionsfreiheit fielen, die durch die EU-Grundrechtecharta garantiert werde. Etwaige theologische Divergenzen zu rituellen Schlachtungen könnten als solche deren Einstufung als "religiöser Ritus" nicht in Frage zu stellen.

Religionsfreiheit durch Pflicht zur Nutzung zugelassener Schlachthöfe aber nicht eingeschränkt

Anschließend erläutert der EuGH, dass die Religionsfreiheit durch die Verordnung nicht eingeschränkt werde. Rituelle Schlachtungen ohne vorherige Betäubung seien ausnahmsweise zulässig, sofern sie in einem Schlachthof stattfänden, der von den zuständigen nationalen Behörden zugelassen sei und die technischen Anforderungen in Bezug auf Bau, Auslegung und Ausrüstung erfülle. Der EuGH stellt klar, dass diese Ausnahme in keiner Weise die Praxis ritueller Schlachtungen in der Union verbiete, sondern im Gegenteil das Bestreben des Unionsgesetzgebers konkretisiere, die Schlachtung von Tieren ohne vorherige Betäubung zu erlauben, um zu gewährleisten, dass die Religionsfreiheit, namentlich der praktizierenden Muslime, während des Opferfests effektiv gewahrt werde.

Pflicht zur Durchführung in zugelassenem Schlachthof lediglich organisatorischer Art

Die Verpflichtung, rituelle Schlachtungen in einem zugelassenen Schlachthof durchzuführen, solle daher die freie Vornahme von Schlachtungen ohne vorherige Betäubung zu religiösen Zwecken lediglich organisieren und hierfür Vorgaben technischer Natur geben, so der EuGH. Derartige technische Vorgaben könnten als solche nicht zu einer Beschränkung des Rechts praktizierender Muslime auf Religionsfreiheit führen. Rituelle Schlachtungen seien nämlich denselben technischen Bedingungen unterworfen, wie sie grundsätzlich für alle Schlachtungen von Tieren innerhalb der Union – unabhängig von der angewandten Methode – gölten.

Vorgaben enthalten Interessenausgleich

Außerdem habe der Unionsgesetzgeber einen Ausgleich geschaffen zwischen der Anerkennung von durch religiöse Riten vorgeschriebenen speziellen Schlachtmethoden und der Einhaltung der von den Unionsverordnungen aufgestellten wesentlichen Regeln für den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung und den Schutz der Gesundheit von Tierfleischkonsumenten.

Punktuelle Kapazitätsmängel lassen Gültigkeit der Verordnung unberührt

Der Umstand, dass in der Flämischen Region Kapazitätsmängel bestünden, um die höhere Nachfrage nach Halal-Fleisch während des Opferfests zu befriedigen, stelle die Rechtmäßigkeit der Verordnung nicht in Frage. Denn die vorliegende Problematik betreffe lediglich eine kleine Zahl von Gemeinden der Flämischen Region. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie mit der Anwendung einer aufgestellten Regel in der ganzen Union in einem inneren Zusammenhang stehe. Ein punktuelles Problem bei der Schlachtkapazität im Gebiet einer Region eines Mitgliedstaats, das mit der erhöhten Nachfrage nach rituellen Schlachtungen in einem Zeitraum von wenigen Tagen anlässlich des Opferfests zusammenhänge, sei die Folge eines Zusammentreffens innerstaatlicher Umstände, die die Gültigkeit der Verordnung nicht beeinträchtigen könnten.

EuGH, Urteil vom 29.05.2018 - C-426/16

Redaktion beck-aktuell, 29. Mai 2018.